Es ist noch nicht lange her, da behauptete der "Handelsexperte" und ehemalige KarstadtQuelle-Chef Wolfgang Urban, dass der Handel mit Mode im Internet nicht funktioniert. Nur weil es Quelle, Neckermann und Co. nicht geschafft haben, ihre Mode übers Internet zu verkaufen. Inzwischen weiß selbst das Handelsblatt: "Kleidung auch online attraktiv".
Das Handelsblatt müht sich gerade, in seiner Serie "Neue Netzträume" die Entwicklungen im Online-Handel zu analysieren, tappt dabei aber in dieselbe Falle wie Wolfgang Urban und andere Experten. Es betrachtet den Internethandel durch die Brille der großen Versandhändler.
Das führt zu einigen fatalen interessanten Schlüssen Urbanscher Prägung. Zum Beispiel heißt es:
"Auch das Lebensmittelgeschäft im Netz erwies sich bis heute als Flopp. Im Jahr 2003 stellte die Otto Gruppe als letzter und größter deutscher Anbieter den Lebensmittelverkauf via Internet ein. Seitdem gab es keinen weiteren Versuch."
Dabei ist das Geschäft mit Lebensmitteln ein geradezu perfektes Beispiel dafür, wie der Online-Handel auch in diesem Bereich floriert:
- Bei Schlecker Home Shopping gibt es von Getränken über Nudeln, Süßigkeiten und Fertiggerichten alles, was das Herz begehrt -- kostenlos nach Hause geliefert.
- Weinhändler wie Hawesko oder Feinkosthändler wie Dallmayr verschicken in ihren Geschenkkörben gerne und vor allem auch Ess- und Trinkbares, "Schmankerl" jeder Art.
Mit Begriffen wie "Flopp" und "keinen weiteren Versuch" sollte man vorsichtig sein, gerade weil der Internethandel dazu neigt, neue Wege zu gehen und auch kleinen Händlern schnell große Chancen bietet.
Im Handelsblatt sagt Handelsexperte Sebastian von Baal unter anderem: „Neben Ebay und Amazon gibt es keine erfolgreichen reinen Online-Shops.“ Doch da auch im E-Commerce im Zweifel Klasse statt Masse zählt, sollten sich erfolgreiche Nischenanbieter nicht allzu sehr grämen, wenn sie so kläglich unterschätzt werden. Eher widerwillig werden dann doch einige aufgeführt: "Primus-Online.de und cyberport.de für Elektronik oder HessNatur.de und dressforless.de für Mode."
„Die Verlagerung vom stationären Handel zum Onlinegeschäft setzt sich fort“, wird Handelsexperte Olaf Roik im selben Artikel zitiert. Das trifft den Punkt. Und doch ist die gute Nachricht (Der Internethandel kennt keine Konsumkrise) eine schlechte - für die großen Händler: Heute berichten die Platzhirsche noch stolz von ihren Umsatzverlagerungen (10% Onlineumsatz, 20%, 30%, 40% ...), bis sie irgendwann erkennen müssen, dass sie nach vollendeter Verlagerung vor haargenau denselben Problemen stehen wie Nischenanbieter und reine Online-Händler: Wie bringe ich meine Internet-Kunden zurück in meinen Online-Shop?
Nur: Nischenanbieter arbeiten schon heute an Strategien und Auswegen aus dem Online-Shopping-Dilemma. Die Besten lernen gerade, sich zu unterscheiden und sich positiv abzuheben. Man vergleiche nur mal einen Anbieter wie Zooplus mit einem x-beliebigen der großen Versandhändler (gerne auch mit: Otto, Quelle, Conrad) und überlege, wo sich ein Kunde langfristig besser aufgehoben fühlt.
Immer wieder gerne wiederholen wir in diesem Zusammenhang unsere Grundthese: Langfristig kommt die Verlagerung "vom stationären Handel zum Online-Geschäft" vor allem denen zugute, die ihre Kunden auch online emotional binden können. Interessanterweise sind hier die reinen Onlinehändler - von Amazon bis Zooplus - oftmals ganz klar voraus.
Liebe Blogger,
das Zitat „Neben Ebay und Amazon gibt es keine erfolgreichen reinen Online-Shops.“ wurde im Handelsblatt leider fehlerhaft abgedruckt. Sie haben vollkommen recht: es gibt eine ganze Reihe von kleineren Anbietern und solchen, die sich auf bestimmte Nischen spezialisieren, die überaus erfolgreich sind. Diese Unternehmen sind natürlich weniger sichtbar - ihre Umsätze gehen eben nicht in die Millionen oder Milliarden. Darüber hinaus gibt es eine große Zahl von Handelsunternehmen, deren Hauptstandbein im stationären Geschäft liegt, die jedoch auch über das Internet sehenswerte Umsätze tätigen. Dennoch sind es inbesondere die größeren Anbieter (dies ergibt sich allerdings schon aus der Definition) und die Multi-Channel-Anbieter, die besonders hohe Umsätze tätigen. Die Situation im Internet ist daher der Situation im stationären Handel ähnlich. Einen Versuch, das obige Zitat in den richtigen Kontext zu setzen, finden Sie unter: http://www.ecc-handel.de/aktuelles/archiv/1125318397.php
S. van Baal
Kommentiert von: Sebastian van Baal | 11. März 06 um 13:50 Uhr