Natürlich ist es spannend, beinahe täglich zu verfolgen, was gerade Neues passiert. Noch viel spannender ist es allerdings, zu beobachten, was gerade nicht passiert (obwohl es eigentlich passieren müsste).
Der E-Commerce-Markt nimmt neue Fahrt auf und entwickelt sich prächtiger denn je. Und dennoch bleiben die Jubelmeldungen bei den Herstellern von Shop-Software und Shopping-Lösungen aus.
Was ist bloß mit den technologischen Vorreitern und einstigen Treibern des E-Commerce los? Wo bleiben die Erfolgsgeschichten der Intershops?
In den besten Fällen liegen die Umsätze leicht über dem mäßigen Vorjahresniveau, mit etwas Glück fiel ein kleiner Gewinn ab. Die Pressemitteilungen der entsprechenden Anbieter künden stattdessen von radikalen Strategiewechseln (mal Full-Service, mal On-Demand, mal Revenue-Share), die die Ratlosigkeit und Verzweiflung mal mehr und mal weniger geschickt verpacken können.
Die Software-Hersteller haben mehr als nur ein Problem:
- Selbst renommierte Internet-Agenturen werben inzwischen damit, dass sie bevorzugt Open-Source-Systeme (wie osCommerce) einsetzen.
- Alle wesentlichen (Multi-Channel-)Händler sind bereits im Internet vertreten. Viele Markenhersteller zögern noch, ihren Vertriebspartnern mit eigenen Online-Shops Konkurrenz zu machen. Und wenn, dann setzen sie auf Variante 1: "Schicke Agentur baut uns kostengünstige Open-Source-Lösung".
- Die Masse der Händler, die jetzt einen Online-Shop starten will, ist in der Regel zu klein bzw. zu wenig lukrativ für die renommierten Softwarehersteller. Viele begnügen sich zudem mit einer schlichten Billiglösung bei ihrem Internetprovider, auch wenn das natürlich nicht zu empfehlen ist.
Was also tun die Intershops, um wieder Land zu gewinnen? Wo sehen die Software-Hersteller ihre Zukunft?
Beispiel 1: Intershop
Intershop ("The E-Commerce-Company") präsentiert sich im März auf der CeBit erstmals als "Anbieter von Full-Service E-Commerce". Oder im Klartext: Intershop will sich die Hände schmutzig machen und in den Handel einsteigen. Zusammen mit Partnern liefert Intershop nicht mehr nur die E-Commerce Software, sondern lagert, verpackt und verschickt die Ware auch:
"Intershop geht in die Offensive: Erleben Sie unser weiterentwickeltes Komplettangebot Full-Service
E-Commerce mit dem Zusammenschluss aller Dienstleistungen rund um den Online-Handel."
Beispiel 2: X-Site
E-Commerce On-Demand scheint der zweite Weg aus der Software-Krise. Und die entsprechenden Pressemeldungen lauten dann wie folgt: "X-Site zündet mit Relaunch die nächste Stufe im E-Commerce On-Demand":
"So können professionelle Features genutzt werden, die sonst nur in schwer finanzierbaren Softwarelösungen vorhanden sind."
Beispiel 3: Braintags
Unsere Lieblingsmeldung kommt allerdings von Braintags. Sie lautet "Braintags erhält "Millionen"-Auftrag von RTL Shop" - und darin heißt es:
„RTL SHOP hat noch nie einen Cent für die Entwicklung, das Hosting oder den laufenden Betrieb der online Shop Plattform bezahlt“ – so Dr. Christian Derichs, Geschäftsführer von Braintags.
„Braintags erhält nur eine Provision von jedem Produktverkauf, der über die Plattform abgewickelt wird. Das schafft eine Win – Win – Situation für beide Seiten."
Was ist los mit dem Markt für E-Commerce-Software?
Jetzt könnte man vermuten, dass der Markt für E-Commerce-Software tot wäre. Jein. Der Markt ist nicht tot, er entwickelt sich nur in eine komplett andere Richtung, als es den beschriebenen Anbietern lieb ist.
Wer sind heute die populärsten Anbieter von E-Commerce-Software? Die Stratos und 1&1s mal ausgeklammert, kommt einem Ebay mit seinen Ebay-Stores in den Sinn, Amazon mit seinen Amazon-Shops, Spreadshirt mit seinen Spreadshirt-Shops. Neuerdings gesellt sich Etsy mit seinen Shops hinzu und künftig wird das Tagworld-Modell die Communities erobern.
Weltweit Hunderttausende von Online-Händlern tummeln sich auf diesen Shoppingplattformen. Man kann also nicht sagen, dass der Markt für E-Commerce Software tot wäre. Gute Shoppinglösungen sind notwendiger und gefragter denn je.
Die Shop-Software wird allerdings nicht mehr als Produkt vermarktet, sondern als bequemer Zusatzservice. Und sie finanziert sich nicht mehr über einen einmaligen Kaufpreis oder eine monatliche Gebühr, sondern in der Regel über eine Umsatzbeteiligung oder ein entsprechendes Provisionsmodell.
Kann es sein, dass die Revolution in der Software-Industrie gerade nicht, wie von vielen Experten erwartet, im On-Demand-Bereich stattfindet, sondern stattdessen in der Entwicklung provisionsfinanzierter bzw. provisionsfinanzierbarer Software-Lösungen?
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob einige der in diesem Blog "Exciting Tools: Was nun, Intershop?" beschriebenen Begriffe vom Autor verstanden wurden. Zunächst einmal der Begriff "On-Demand Software", da gibt es nämlich eine eindeutige Definition. Diese besagt nicht nur, dass die Software auf einem Mandantensystem als Dienstleistung dem Kunden zur Verfügung gestellt wird, sondern auch, dass die Abrechnung in Abhängigkeit der Transaktionen (oder auch monatlichen Umsatz) erfolgt. Leider steckt nicht überall, wo On-Demand drauf steht, auch On-Demand drin (z.B. X-Site), aber die Aussage am Ende "Kann es sein, dass die Revolution in der Software-Industrie gerade nicht, wie von vielen Experten erwartet, im On-Demand-Bereich stattfindet, sondern stattdessen in der Entwicklung provisionsfinanzierter bzw. provisionsfinanzierbarer Software-Lösungen?" ist doch inhaltlich falsch, denn On-Demand Software rechnet per se provisionsbasiert ab. Sonst ist sie nicht On Demand. Ich werde zu diesen Themen in Kürze einen On-Demand Weblog starten, Updates folgen also.
Kommentiert von: Dirk | 26. Mai 06 um 12:44 Uhr
@Dirk: Ich gebe Ihnen Recht, dass es bei fast allen die derzeit unter der "On-Demand-Flagge" segeln nur ein Marketing-Bluff ist. Bevor man jedoch hier Unternehmen dessen bezichtigt sollte man sich besser informieren. Nutzen Sie nicht selbe den Begriff auf commercetools und nutzen doch hybris? ;-)
Kommentiert von: Christoph Heiders | 21. Juli 06 um 15:40 Uhr
Ich freue mich sehr, dass Intershop in Ihrer Aufzählung Erwähnung findet.
Das Full Service eCommerce Modell von Intershop ist das umfassendste der von Ihnen erwähnten Modelle.
Ebenso wie der Kommentar von @Dirk sehe ich OnDemand eher ein anderes Lizenz-Modell denn technische Realität. Dieses OnDemand-Pricing für die Lizenz gibt es bei Intershop ebenfalls.
Eine Abrechnung auf Umsatzbasis oder PayPerOrder bietet Intershop ebenfalls an.
Full Service eCommerce von Intershop beinhaltet die Betreuung des gesamten eCommerce-Geschäftsprozesses eines Mandanten vom Marketing bis zur B-Warenvermarktung der Retouren. Für die Neueinsteiger ins Thema eCommerce - z.B. die von Ihnen erwähnten Hersteller - ist das Aufsetzen eines kleinen Shops ein Bruchteil der Aufgaben, die zu bewältigen sind.
Selbstverständlich kann Intershop auf Basis von Enfinity auch exzellente Shops vorweisen - mit Full Service bieten wir unseren Kunden auch Hilfe vor und nach dem Verkauf der Produkte im eShop.
Kommentiert von: Henry | 03. Oktober 06 um 08:41 Uhr