Wer sich ernsthaft mit dem Thema "Social Commerce" auseinandersetzen will, dem sei das gerade erschienene Buch "Die neue Renaissance - Auf dem Weg zu einer vernetzten, sozialen Wirtschaft" (Amazon-Link) empfohlen.
Douglas Rushkoff entwirft darin - ganz ohne Web 2.0 Geklimper - ein
ebenso umfassendes wie plausibles Weltbild, in dem er die Kernelemente
des "Social Commerce" ausführlich darstellt.
Nach dem Lesen wird nicht nur die steigende Bedeutung des "Social Commerce" klar; es lässt sich auch leichter einschätzen, welche Vermarktungs- und Verkaufskonzepte in einer vernetzten Welt Zukunft haben - und welche nicht.
Aber vielleicht sind es auch gar nicht die Vermarktungskonzepte, die den Ausschlag geben. Eines der faszinierendsten Kapitel handelt nämlich - etwas unvermutet in einer Welt, in der sich das Marketing zur vermeintlichen Königsdisziplin entwickelt hat - ausgerechnet von den "richtigen" Produkten:
Douglas Rushkoff beschreibt, welche Produkte hohe soziale Relevanz haben und welche Eigenschaften sie haben müssen, um als soziale Währung Anklang zu finden.
Erst beim Lesen wird einem so richtig klar, wie wenig bei den aktuellen Strategiediskussionen über des Handels Kern gesprochen wird: die Qualität und die Relevanz der Produkte. Douglas Rushkoff trifft da einen wunden Punkt.
Er kritisiert die Händler und Hersteller, die nur noch mit möglichst trickreichen Marketingstrategien ("Freude am Fahren", etc.) arbeiten und nicht mehr die Produkte selber verkaufen, sondern möglichst nur noch eine Idee von ansonsten austauschbaren Produkten.
Stattdessen
empfiehlt er - vor allem Lovemarks-Fans (wie uns ;-) - den Fokus wieder
verstärkt auf das Produkt zu richten und eine neue Leidenschaft für
bahnbrechende Produktideen zu entwickeln.
Denn eine seiner Kernthesen lautet: Zukunft haben Produkte, die wirkliche(!) Probleme lösen. Und die so von sich aus schon eine hohe Relevanz mitbringen.
Gefragt sind in einer vernetzten Welt nicht mehr Statussymbole, sondern Produktideen mit integrativem Charakter:
"Die besten Produkte und Marken in diesem Rahmen sind nicht solche, die den Menschen zu etwas Besonderem machen, sondern solche, die ihn in die Gemeinschaft integrieren.
Das Konzept der "sozialen Währung" lässt uns schnell begreifen, weshalb manche Produkte ein Hit sind, während andere floppen."
Als gutes Beispiel führt er Apples iPod an, weil das Produkt auf vielerlei Weise die Gemeinschaft und den Austausch fördert.
Er zeigt auf, wie Apple - über seine Produkte hinaus - auch seine Läden entsprechend als soziale Räume konzipiert, die sich problemlos - und erwünschtermaßen - zum Treffen, Lernen, Spielen oder Einkaufen eignen oder sich - für viele anfangs irritierend - auch als kostenloses Internet Café nutzen lassen.
Auch Starbucks setzt auf das soziale Erlebnis, indem es seine Kunden nicht zum schnellen Konsum, sondern zum Bleiben einlädt. Weiteres Beispiel: American Girl, ein (Versand-)Händler, der das Gemeinschaftsgefühl zwischen Müttern und Töchtern stärkt.
Douglas Rushkoffs "Neue Renaissance" wartet mit einer ganzen Palette von bemerkenswerten Ideen und Konzepten auf. Es gelingt ihm, das heute gültige Weltbild zu hinterfragen und seine alternative Weltsicht mit guten Argumenten und Praxisbeispielen zu unterfüttern.
In der Renaissance des 16. Jahrhunderts sei das Konzept des Individuums erdacht worden - und damit Begriffe wie Unternehmen und Märkte sowie der Wettbewerb untereinander.
In der "neuen Renaissance" gehe es um die Vernetzung und den spielerischen Austausch miteinander. Beispielhaft sei die Open Source Bewegung, die gemeinsam in kürzerer Zeit bessere und für die Allgemeinheit nützlichere Produkte entwickelt als einzelne Unternehmen dies auf sich gestellt könnten.
Treiber des wirtschaftlichen Fortschritts sei nicht mehr der -
weitgehend künstliche - Mangel, den Märkte durch Patente,
Betriebsgeheimnisse und sonstige Restriktionen zu schaffen versuchen,
um ihre eigenen, nicht immer optimalen Produkte besser absetzen zu
können.
Treiber der künftigen Entwicklung sei die kreative Fülle, der offene
Austausch und das gemeinsame Vorantreiben sinnvoller Produkte und
Ideen. Klingt utopisch, ist aber äußerst lesenswert, um aktuelle Entwicklungen besser begreifen und sich frühzeitig darauf einstellen zu können.
Mehr zu den Inhalten des Buches:
- Douglas Rushkoff: "Renaissance Prospects"
(Audio-Mitschnitt seines Vortrags auf der Pop! Tech 2004) - Douglas Rushkoff über Social Currency
- Douglas Rushkoff Kolumnen und Artikel
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