Vor einem Jahr haben wir damit begonnen, die aus unserer Sicht spannendsten Entwicklungen im E-Commerce aufzuzeigen. Einigermaßen absehbar war, dass eine neue Händler- bzw. Verkäufergeneration auf Basis der neuen Web-Tools innovative Verkaufskonzepte entwickeln und so frischen Wind in den Online-Handel bringen würden.
Überraschend war jedoch eine zweite und auf kurze Sicht vielleicht sogar bedeutsamere Entwicklung. Denn in einem unerwarteten Tempo haben die fünf großen Online-Dienste ihre bisherigen (Shopping-)Portale überholt und in Richtung Web 2.0 geöffnet. Alle arbeiten mittlerweile an universell einsetzbaren (Shopping-)Diensten, über die die Shoppingströme der Zukunft laufen sollen.
Spannend ist das insofern, als es gerade diese neuen Dienste mit ihren offenen Strukturen sein werden, die letztlich den Nährboden bilden für eine Shoppingzukunft, in der nicht mehr der weitgehend passive Handel, sondern seine aktiven Verkäufer den Ton angeben. Oder etwas knackiger formuliert: Ebays Erfolgsmodell, transponiert ins Web 2.0.
Die wesentlichen Entwicklungen der letzten Monate - von Amazon bis Yahoo:
Amazon hat seine Schleusen schon vor Jahren geöffnet. Insofern kommen für den Branchenführer die Web 2.0 Entwicklungen fast erwartungsgemäß. Gerade von Amazon kann man lernen, wie souverän man mit dem Web 2.0 umgehen kann. Amazon überprüft die Konzepte (Weblogs, Produktwikis, Tagging, Social Commerce, etc.) erst auf ihre kundenbindende (sprich: verkaufsfördernde) Wirkung und entwickelt dann gewohnt eigenständige Lösungen und Strategien. Schon heute ist Amazon der bestvernetzte Shoppingdienst und durch sein ausgefeiltes Produktempfehlungs- und Affiliateprogramm von allen am besten gerüstet, um sich in kürzester Zeit von einem klassischen Shoppingportal in einen vollwertigen Social Shopping Dienst (à la MyPickList, Zlio, etc.) verwandeln zu können.
Exciting Commerce auf den Spuren von Amazon
Ebay, ebenfalls mit einer großen Entwickler-Community ausgestattet, hat sich in nur einem Jahr komplett neu erfunden und enorm an Tempo zugelegt: Craigslist, Kijiji, Shopping.com, Skype und Ebay Express als neue Standbeine sowie die Kooperation mit Yahoo - das Ebay-Universum kennt in seinen vielfältigen Möglichkeiten kaum noch Grenzen. Gleichzeitig beginnt sich Ebay dem Web 2.0 zu öffnen und ermuntert seine Nutzer, nicht mehr nur vergänglichen Content zu produzieren, sondern bleibende Inhalte (Ratgeber, Nutzerguides, Produktbeschreibungen, etc.) zu schaffen. Ebay hat bei der gesamten Entwicklung einen entscheidenden Vorteil. Es verfügt schon heute über den aktivsten Händler- bzw. Verkäuferstamm und ist auch insofern eine gute Wette für den Universaldienstleister Nr. 1.
Exciting Commerce auf den Spuren von Ebay
Google. Wer hätte vor Jahresfrist gedacht, dass Google ernsthafte E-Commerce-Ambitionen hegen könnte und eine Allzweckwaffe wie Google Base auf den Markt bringt. Inzwischen vermittelt die Kombination aus einem Universaldienst wie Google Base und den darauf aufsetzenden, innovativen Verkaufskonzepten wie Google Video und Google Books das klarste Bild von der Shoppingzukunft: Händler, die es nicht von sich aus schaffen, sich mit attraktiven Shoppingkonzepten eine aktive Community aufzubauen, können bei Google Base andocken und sich von Googles Spezialdiensten Kunden zutreiben lassen. (Ähnliche Strategien verfolgen auch die vier anderen Plattformen, nur ist das Prinzip bei Google am deutlichsten nachvollziehbar.)
Exciting Commerce auf den Spuren von Google
Microsoft setzt auf das Live-Web. Auch beim E-Commerce. Sowohl beim Kleinanzeigendienst Expo als auch bei der Live Produktsuche bzw. bei der neuen Windows Live Shopping Plattform zählen zukunftsweisende und universell einsetzbare Empfehlungssysteme zu den Kernelementen. Die Windows Live Umgebung ist zudem ein hervorragendes Beispiel dafür, wie sich Shoppingdienste, Produktalerts, etc. nahtlos und flexibel in eine übergreifende Plattform integrieren lassen. Bei Microsoft lässt sich am besten nachvollziehen, wie die Grenzen zwischen Medien- und Shoppingdiensten verschwimmen, eine Trennung, die sich ohnehin überlebt hat, seit schon ein simples Weblog ausreicht, um ins Publishing einzusteigen.
Exciting Commerce auf den Spuren von Microsoft
Yahoo hat mit seinem Shoposphere-Konzept bisher die stärksten Akzente gesetzt und als erste der großen Plattformen einen expliziten Social Shopping Dienst gestartet. Yahoo macht - mit Flickr, del.icio.us und anderen Zukäufen - den Web 2.0 aktivsten Eindruck, schießt allerdings mit seinen Lösungen oft übers Ziel hinaus. Neue Dienste wie Yahoo! Tech oder die runderneuerte Portalseite sind zwar konzeptionell zukunftsweisend und technisch weit vorne, überfordern den Durchschnittsuser allerdings - wenn nicht in der Nutzerführung, dann in der Performance. Yahoos Stärken liegen in der Offenheit für neue Shoppingkonzepte, weniger in deren massenattraktiver Umsetzung. Insofern ergänzt sich das neue Doppel Ebay-Yahoo perfekt.
Exciting Commerce auf den Spuren von Yahoo
Wenn sich alle großen Online-Dienste auf denselben Weg machen und letzlich dasselbe Ziel verfolgen, nämlich Produktströme neu zu bündeln und in neue (Verkaufs-)Kanäle zu überführen, dann ist dies eine Entwicklung, die man kaum ignorieren kann. Zumal alle Dienste letztlich auf die Trägheit des Handels bauen und darauf, dass ihre neuen Shoppingdienste attraktiver sind als die klassischen Shop- und Katalogangebote des Handels.
Doch so spannend und so nützlich diese Entwicklung ist, die Zukunft des E-Commerce entscheidet sich weder bei den Handelskonzepten noch bei den Shoppingdiensten alleine, sondern letztlich bei den Verkaufskonzepten: Gewinnen werden die, die in der hochgradig fragmentierten Shoppingwelt von morgen auf die zugkräftigsten Verkaufskonzepte und die aktivsten Verkäufer bauen können.
Hier stehen wir noch ganz am Anfang. Und wir sind weiter gespannt, wer hier in den kommenden Monaten welche Initiativen ergreifen wird.
Kommentare
Abonnieren Sie den Kommentar-Feed dieses Eintrags, um der Konversation zu folgen.