Die wohl bitterste Erkenntnis der letzten Woche für die deutschen Multi-Channel-Versender dürfte gewesen sein, dass ihr einst so unerschütterliches Kataloggeschäft den neuesten bvh-Zahlen (PDF) zufolge nur noch knapp 50% des Versandhandelsmarkts ausmacht.
Während der gesamte Versandhandel in den vergangenen 10 Jahren auf 26,3 Mrd. Euro gewachsen ist, sind die reinen Katalogumsätze auf 13,5 Mrd. Euro gesunken. Das Kataloggeschäft auf dem Weg ins Schattendasein.
Auch in Kombination mit dem Online-Handel ist die Entwicklung alles andere als erquicklich. Mit 17,5 Mrd. Euro liegt der Marktanteil der Multi-Channel-Versender am Versandhandel bei gerade noch 67%. Die enthaltenen 4 Mrd. Euro Online-Umsatz reichen alleine nicht einmal zu 40% Marktanteil im E-Commerce.
Wenn man diese Marktanteilsentwicklung betrachtet, stellt man sich unwillkürlich die Frage nach der Wirksamkeit der Multi-Channel-Strategien:
- Wie erfolgreich ist eine Strategie, die innerhalb von nur 10 Jahren zu Marktanteilseinbußen von 33% führt?
- Was ist dran am Mythos von der erfolgreichen Multi-Channel-Strategie, wenn der E-Commerce (+ 4 Mrd. Euro) die Umsatzverluste im Kataloggeschäft (- 6.5 Mrd. Euro) nicht einmal annähernd auffangen kann?
Die Multi-Channel-Versender haben 10 Jahre lang agiert, als ob sie sich in einem stagnierenden, leicht rückläufigen Marktumfeld bewegen. Der E-Commerce sollte ausgleichen, was im Kataloggeschäft verloren geht.
Jetzt stellt sich heraus, dass es sich um einen dynamischen Wachstumsmarkt handelt. Und die klassischen Versandhändler müssen erkennen, dass die Strategien der reinen E-Commerce-Spezialisten weitaus wirksamer sind, um neue Märkte zu erobern.
Auch hier sprechen die Zahlen für sich: Während die Katalogversender zusammen auf 4 Mrd. Euro E-Commerce-Umsatz kommen, summieren sich die Umsätze der Spezialisten in den drei neuen Kategorien Internet Pure Player, Ebay Powerseller und Teleshopping alleine schon auf 6,3 Mrd. Euro und mehr.
Der bvh spricht von "höchst dynamischen Versandhandelsformen", die im Markt entstanden sind. Und die den Katalogversendern an den Kragen wollen.
Wie aber sehen die Antworten der Katalogversender aus? Wie lange werden sie an ihren heutigen Multi-Channel-Strategien festhalten können? Geht die Entwicklung in gleicher Dynamik weiter, sinkt ihr Marktanteil in 5 bis 10 Jahren auf unter 50%.
Sind sie gerüstet für die neue Generation erfahrener Internetnutzer, die mit schnellen DSL-Zugängen online einkaufen? Oder geben sie neuen Online-Versendern auch weiterhin die Chance, ihnen mit innovativen Shoppingkonzepten Umsatz und Kunden abzujagen?
[P.S. Um keinen falschen Eindruck entstehen zu lassen: Natürlich sind Multi-Channel-Strategien per se nichts Schlechtes. Erfolgsversprechend sind sie in der Regel dann, wenn der schnelle Kanal den langsamen antreibt; fragwürdig sind sie nur, wenn - wie im Versandhandel geschehen - der langsame Kanal (das Kataloggeschäft) den schnellen (den Online-Handel) ausbremst.]
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