In der aktuellen Ausgabe von ONEtoONE gibt es ein ausführliches Interview mit dem Otto-Chef Michael Otto zur "Zukunft des Versandhandels und zur Strategie des Konzerns".
Zwar gibt sich der Otto-Versand darin den gewohnt innovativen Anstrich. Amazon, Ebay, QVC, Spreadshirt und die anderen Innovationstreiber im elektronischen Handel müssen sich allerdings auch weiterhin keine Sorgen machen.
Otto steigt in keinen der drei Wachstumsbereiche (Reiner Internethandel, Schneller Aktionshandel (Powerselling) und Teleshopping) ein und plant dem Interview zufolge auch kein anderes, originär neues Verkaufskonzept.
Stattdessen glaubt man weiterhin an den Katalog. Mit E-Shopping 2.0 und Interaktiv-TV soll das Kataloggeschäft noch einmal reanimiert werden.
Auszüge aus einem sehr angriffslustig geführten Interview:
"Sie gehen davon aus, dass sich die Kunden mittelfristig spürbar anders verhalten als heute?
Der Konsument will nicht mehr nur konsumieren, er möchte aktiv teilnehmen. Deswegen haben wir ja unsere Innovationsoffensive „E-Shopping 2.0“ gestartet.
Dazu gehört eben auch, dass wir Plattformen schaffen, auf denen die Kunden mit uns, aber auch untereinander kommunizieren können. Sie können sich zum Beispiel über die Ware und den Service austauschen.
Zudem ist es eine Plattform, Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten, von denen wir lernen können.
Starten Sie nicht etwas spät durch?
Nein. Im Modebereich sind wir mit dem Konzept „E-Shopping 2.0“ die Ersten. Klar: Simple Chatrooms gibt es in anderen Branchen schon länger. Aber bei uns können sich die Kunden über Sortimente, andere Shops und Marken unterhalten. Wir werden damit im Modebereich Akzente setzen.
Können Sie sich denn vorstellen, moderierte Verkaufssendungen – wie bei den Shopping-Sendern im Fernsehen – im Internet zu präsentieren?
Wir sehen größere Chancen im interaktiven TV. Der Grund ist ganz einfach: Der Kunde kann dort von sich aus entscheiden, wann er was sehen möchte.
Es ist durchaus möglich, dass eine Kundin, die etwas über Abendkleider erfahren möchte, eine moderierte Modenschau anklicken kann.
Wir haben aber nicht vor, rund um die Uhr Produkte zu präsentieren. Da müsste ja die Kundin Stunden vor dem Fernseher sitzen, bis ein Produkt erscheint, das ihr gefällt. Unsere Kunden wollen gezielter informiert werden."
QVC wirds freuen. Vermutlich hat QVC dies öffentlich noch nicht oft und laut genug gesagt. Aber QVC will die Otto-Kundin. Und eine Vielzahl von ehemaligen Otto-Kundinnen fühlen sich bei QVC inzwischen sehr wohl. Und warten voller Spannung, "bis ein Produkt erscheint" ;-)
Ist es nicht eher so, dass Interaktiv-TV für Otto selber viel bequemer ist, da es erheblich einfacher ist, einen weiteren Vertriebskanal mit schon vorhandenen Produkten zu bestücken als - wie fürs Teleshopping nötig - ein komplett neues Vertriebskonzept mit dafür geeigneten Sortimentsstrukturen zu entwickeln?
In der neuen Ausgabe von brand eins ist die Geschichte von Kodak ("Falscher Film") zu finden, ein altehrwürdiges Unternehmen, das zulange an den Analogfilm geglaubt hat, und das auch lange glaubte, dass die Kunden ihre vielen neuen Digitalfotos weiterhin in alter Tradition auf Fotopapier drucken werden.
Bezeichnendes Zitat:
"Bisher scheinen sie das Wettrennen zu verlieren, denn der Markt für den guten alten Film und Abzüge brach immer noch erheblich schneller ein, als es das Unternehmen erwartet hatte."
Man muss es sich immer mal wieder vor Augen führen: Seit Anfang des Monats ist offiziell bekannt, dass der Marktanteil des Katalogs im Versandhandel bei nur mehr 50% liegt (1990: 100%).
Inzwischen muss man schon ein gehöriger Optimist oder nostalgisch veranlagt sein, um noch an die Zukunft des "guten alten Katalogs" zu glauben. Fatal wäre es, sein Geschäftsmodell selbst jetzt noch quasi 100%ig darauf auszurichten.
Michael Otto gegenüber ONEtoONE:
"Ich bin überzeugt davon, dass der Katalog Bestand haben wird. [Der Kunde] wird sich weiterhin mit seinem Katalog etwa in den Garten setzen und ihn in aller Ruhe durchblättern wollen."
Früherer Beitrag zum Thema:
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