Ein Weblog kann ein Unternehmen komplett verändern, es schneller, offener, kundengetriebener machen. Diese (Extrem-)Erfahrung macht gerade die Kelterei Walther, ein angestammter Familienbetrieb bei Dresden.
Geschäftsführerin Kirstin Walther: "In den 79 Jahren seit der Gründung der Kelterei im Jahr 1927 hat nichts solchen Einfluß auf die Geschäftsausrichtung des Unternehmens gehabt wie das seit Januar bestehende Weblog":
"Alles wird schneller, der Dialog mit den Kunden, die Entscheidungen, der Verkauf, die permanente Neuausrichtung. Ich kann nur erahnen, wie durch das Weblog unser Unternehmen in 12 bis 18 Monaten aussehen kann."
In Walthers Saftblog bloggen die Geschäftsführer Kirstin Walther und Jörg Holzmüller sowie einige der Mitarbeiter. Wer Jörg Holzmüller heute schwärmen hört, möchte kaum glauben, dass er der große Skeptiker im Hause Walther war und das Weblog, das seine Geschäftspartnerin im Januar gestartet hatte, zunächst als "öffentliche Bedrohung" empfand.
Seine Aussagen sind deshalb so
bemerkenswert, weil Jörg Holzmüller alles andere als ein Greenhorn ist. Er hat für den Computerhersteller Digital Equipment und als Unternehmensberater für Roland Berger gearbeitet und in Dresden den Elektronikversender Cyberport mitgegründet (s. Vita im Blog).
Insofern ist es spannend zu hören, was ein erfahrener Business- und Internet-Profi von Weblogs hält. Umsatz und Reichweitenzuwächse sind längst nicht die einzigen Gründe fürs Bloggen.
Wenn man das Bloggen so konsequent (und intensiv) betreibt wie die Kelterei Walther, verändert sich weitaus mehr. Es entstehen neue Beziehungen - zu Kunden, Geschäftspartnern, Experten, von denen die Kelterei gerade extrem profitiert.
Es ist spannend, sich mit Jörg Holzmüller über dieses Thema zu unterhalten. Am besten stundenlang an einem Sonntagnachmittag ;-)
Die Weblog-Revolution bei Walther lässt sich in den folgenden 10 Punkten zusammenfassen:
1. Das Unternehmen arbeitet kundengetriebener
Innovationen, Ideen und Vorschläge von Kundenseite dringen eher an das Ohr des Unternehmens, und das Unternehmen kann sie früher aufgreifen.2. Das Weblog verändert die Entscheidungskultur
Täglich stürmen soviele neue Gelegenheiten, Ideen, etc. auf das Unternehmen ein, dass Entscheidungen weitaus schneller getroffen werden (müssen).3. Das Weblog verändert die Unternehmenskultur
Das Weblog wirkt als öffentliches Aushängeschild. Die Präsenz im Weblog erhöht die Wertschätzung bei den Mitarbeitern. Weil sie in Blogbeiträgen und Kundenkommentaren spüren, dass ihr Einsatz zählt, legen sie sich gerade im Kundenkontakt noch mehr ins Zeug, wirken zuvorkommender gegenüber Anrufern, etc.4. Das Weblog führt zu neuen Partnerschaften
Durch die öffentliche Präsenz werden Kooperations- und Vertriebspartner auf das Unternehmen aufmerksam, die anders nie den Kontakt zum Unternehmen gesucht hätten.5. Neue Kontakte zu Fachleuten und Experten entstehen
Experten, im Falle von Walther, für Aronia kommen auf das Unternehmen zu. Oder helfen bei technischen Fragestellungen, die offen im Weblog gepostet werden.6. Die allgemeine Wahrnehmung verändert sich
Das Unternehmen wirkt größer und bedeutsamer als vorher und erhöht seinen (überregionalen) Bekanntheitsgrad; gleichzeitig wirkt es zugänglicher.7. Der Respekt der Wettbewerber steigt
Ein kleines Unternehmen kann sich hervortun und neu positionieren. Die Aufmerksamkeit, auch bei den Wettbewerbern, steigt8. Die Webseite wird häufiger besucht
Ein tagesaktuelles, aktives Weblog wird weitaus häufiger besucht (und bei Goolge auch leichter gefunden) als eine starre Homepage. Die Kundenkontakte erhöhen sich.9. Die Umsätze erhöhen sich.
Letztlich eine Folge aller genannten Punkte. Ein Weblog wirkt sich positiv auf die Umsätze aus. Und zwar nicht nur online. Nicht zu unterschätzen sind dabei die indirekten Effekte durch neue (Vertriebs-)Partnerschaften.
Ergänzend fügt Jörg Holzmüller hinzu:
10. Die Kunden fühlen sich gut aufgehoben.
Sie entwickeln Vertrauen, tauschen sich untereinander aus und übernehmen sogar Verantwortung für das Unternehmen. Kunden verzeihen Fehler des Unternehmens. Das Unternehmen bekommt ein Gesicht.
Wenn man verfolgt, wie intensiv Jörg Holzmüller und Kirstin Walther bloggen, kommt oft der implizite Vorwurf: "Ja, aber woher nehmen die beiden denn die Zeit dafür? Haben die nichts Besseres zu tun?"
Auch darauf hat Jörg Holzmüller eine Anwort: In der mittelständisch geprägten Kultur hat der Kundenkontakt oberste Priorität, und es ist üblich, dass der Chef so oft wie möglich selber "raus zum Kunden" geht. Und nichts anderes passiert ja im Weblog.
Ein weiterer Grund also, warum Bloggen Chefsache sein sollte.
[Nur am Rande bemerkt: Kürzlich ist die Kelterei Walther - im ohnehin schon erfolgreichsten Jahr der Firmengeschichte - mit dem Innovationspreis ausgezeichnet worden. Weniger fürs Bloggen, als unter anderem für die Saftbox.]
Weiterführende Links zum Thema:
Lieber Herr Krisch, auch ich habe den Sonntagnachmittag im Literaturcafe in München in bester Erinnerung. Vielleicht sind Sonntagnachmittage geradezu prädestiniert, um am Montag im der Firma Neues à la Jochen Krisch einzuführen. Und es ist ja - in Blogzeit gerechnet - schon so lang her. Mitte Mai war es, glaube ich. Das sollten wir bald mal wiederholen! ;-)
Kommentiert von: Jörg Holzmüller | 10. August 06 um 12:01 Uhr
Tja, manchmal brauchen Blogbeiträge unendlich lang, bis sie reifen ;-) Aber jetzt, wo das Saftblog zu Starruhm gelangt und auf Blogtour geht, wurde es dann auch mal Zeit für die Zusammenfassung des Gesprächs. Viel gelernt. Zumal kaum ein Unternehmen so offen bloggt. Da gehört schon einiges dazu, sich so in die Karten blicken zu lassen.
Kommentiert von: Exciting Commerce | 10. August 06 um 12:20 Uhr