Wer hätte noch vor nur wenigen Monaten gedacht, was an Innovationskraft im deutschen E-Commerce steckt?
Seit November sind reihenweise Startups mit neuen Shoppingkonzepten online gegangen. Mancher mag bemängeln, dass noch kaum etablierte Player darauf anspringen. Aber auch das wird sich in Kürze ändern.
Den ganzen März über war Gelegenheit, die wichtigsten Treiber der Entwicklung endlich einmal persönlich kennenzulernen. Dutzende von Gespräche und gute Eindrücke in Hamburg, München, Berlin, Mainz, Düsseldorf, Köln und St. Gallen.
Spannend auch der Austausch mit der Wissenschaft. Professoren und Doktoranden lassen die neuen Entwicklungen zunehmend in ihre Lehr- und Forschungstätigkeit einfliessen.
Um sich das Tempo zu vergegenwärtigen, mit dem die Innovationswelle rollt, ist es besonders spannend, sich die beiden letzten Statusreports vom August 2006 ("Sommerexpedition 2006") und vom Januar 2006 ("Was war, was wird: Zur Lage des E-Commerce 2005/06") vor Augen zu führen.
Was tut sich aktuell im deutschen E-Commerce? Und was bringt die nahe Zukunft? Nur acht Monate nach dem letzten Report gestaltet sich die Situation wie folgt:
- Nachdem Dawanda und Holtzbrinck Ventures den Weg bereitet haben, scheint es nur eine Frage der Zeit, bis weitere Social Shopping Dienste ihre Finanzierung unter Dach und Fach bringen.
Noch ist das Problem: Hierzulande werden Konzepte ohne internationale Vorbilder mit Skepsis betrachtet, andernorts als Chance.
Trotzdem sehen einige Investoren inzwischen, was Social Commerce herkömmlichen E-Commerce Lösungen voraus hat, welch enorme, weitgehend unerschlossenen Potenziale nutzergetriebene Shopping Dienste dem E-Commerce eröffnen können.
- Gerade im konzeptionellen Bereich hat Deutschland enorm zugelegt und beim Thema Social Commerce inzwischen eine führende Rolle übernommen. Wenig andere sind so aktiv und so kreativ, wenn es darum geht, neue Konzepte zu entwickeln und zeitnah umzusetzen.
- Die Schwäche fast aller Dienste liegt (noch) in der Vermarktung. Doch spätestens wenn die ersten Big Player online gehen, dürfte die zunehmende Publicity allen helfen.
Doch auch unabhängig davon gewinnt das Thema an Aufmerksamkeit. Social Shopping ist gerade auf dem Sprung von den Fachmedien hinein in breitenwirksamere Publikationen.
Berichte in der Freundin und aktuell im Player Magazin sind ein erstes Indiz. [Beide Artikel sind online nicht verfügbar.]
- Ab Mitte des Jahres dürfte zusätzlicher Schwung in das Thema kommen. Dann werden wir erstmals ein skalierbares Modell im Social Commerce haben.
Dann können auch weitere Medien- und Handelshäuser in das Thema Social Commerce einsteigen, denen eine eigenständige Entwicklung zu umständlich und aufwendig ist.
- Die Großen sind ohnehin schon auf dem Weg: Inzwischen arbeiten fast alle führenden Online Unternehmen an Social Shopping Lösungen, die bis Ende des Jahres auf dem Markt sein sollten.
Allerdings lassen sich bei großen Unternehmen durch ihre gewohnt langwierigen Entscheidungsprozesse die Einführungstermine immer noch schwerer abschätzen als bei Startups.
- Spannend zu verfolgen sind die Multi Commerce Lösungen, die gerade entstehen. Tradoria oder Yuma Commerce bieten auch einzelnen Händlern zeitgemäße, neue (Verkaufs-) Möglichkeiten.
- Überwältigend ist der plötzliche Aufschwung im Bereich Live Shopping. Ein halbes Dutzend Dienste innerhalb von 6 Monaten, nachdem es zuvor nicht einmal die zaghaftesten Versuche gegeben hat, ist enorm.
Auch hier sind weitere kreative und vielversprechende Ansätze in der Pipeline, so dass das Thema noch mehr Zugkraft bekommen wird.
Im Live Shopping hat Deutschland mehr als 2 Jahre Rückstand gegenüber Woot! & Co. Mal sehen, wie schnell sich dieser nun aufholen lässt.
- Noch etwas verhalten ist die Entwicklung im Crowdsourcing. Kaum ein Händler erkennt die Potenziale. Außerdem fehlen weiterhin standardisierte Lösungen auf technischer Seite.
Immerhin: Dealjäger, LaFraise und A Better Tomorrow preschen tapfer voran.
Immer wieder landet Social Shopping noch in der klassischen Web 2.0 Schublade ("Vielversprechende Konzepte ohne Geschäftsmodell"). Doch weit gefehlt: Social Shopping hat - im Gegensatz zu vielen anderen Web 2.0 Diensten - eingebaute Erlösmodelle, die sehr gut skalierbar sind. Und: Keiner der neuen Dienste macht sich komplett abhängig von (Google-)Werbung.
In weiteren acht Monaten werden wir sehen, ob die Shopping Welt dann schon ein bisschen anders aussieht. Momentan muss einem nicht bange sein.
Frühere Beiträge zum Thema:
Eine wunderbare Zusammenfassung des Stands der Dinge. Danke.
Kommentiert von: matias | 30. März 07 um 16:15 Uhr
Ohne Ihre zusammen fassenden & inspirierenden Bemühungen hätten wir alle, die sich für dieses Thema interessieren und es ja auch zum Teil mit gestalten, längst den Überblick verloren. Durch diesen Blog bekommt die Dynamik Struktur und wer sich auf dem Laufenden halten will (oder muss), kann sich nun nicht mehr herausreden, das wäre doch alles zu unübersichtlich.
Inzwischen sind die grossen Handelshäuser, Industrieunternehmen und ihre Medientöchter nicht mehr Gestalter der Prozesse (und damit Bremser, den sie können durch Wandel nur verlieren), sondern Getriebene. Der Zerfall der klassischen meist mediennahen Vertriebswege ist noch dramatischer als die aufgehübschten Bilanzen aufzeigen.
Viele Mittelständler dagegen sind wunderbar aufgestellt und können nun zur Jagd auf die ehemals ganz Grossen gehen. Kunde um Kunde, Community um Community.
Kommentiert von: wingthom | 30. März 07 um 16:36 Uhr
Herzlichen Dank :-)
Kommentiert von: Exciting Commerce | 31. März 07 um 02:00 Uhr