Einer Art Offenbarungseid kommt das aktuelle Interview mit StudiVZ-CEO Marcus Riecke gleich - oder wie es Marcel Weiß bei neunetz formuliert:
"Hut ab in Richtung StudiVZ für das konsequente Verfolgen der unsinnigsten Netzwerkstrategie
ever."
Es ist sehr schwierig, diplomatische Worte für die dort geäußerten Ansichten und strategischen Überlegungen zu finden.
Am Bezeichnendsten für die Geisteshaltung sind wohl die technologischen Überlegungen:
"Wir planen, diese Schnittstelle auf Anfrage freizugeben. Wenn ein Entwickler auf uns zukommt, wollen wir vorab prüfen, ob diese Applikation zu unserer Produktstrategie passt.
Es kann durchaus sein, dass wir Applikationen, die wir mit einem externen Entwickler erarbeiten, für uns behalten wollen.
Wenn wir eine tolle Idee haben, macht es Sinn, wenn diese Idee in einem anderen Netzwerk nicht funktioniert.
Die Applikationen sind ein Weg zur Differenzierung im Wettbewerb.
Das Vorgehen hält uns alle Möglichkeiten offen: Wir können Anwendungen komplett allein entwickeln, wir können Anwendungen über die proprietäre Schnittstelle mit einem ausgewählten Entwickler erarbeiten oder wie bieten eine offene Schnittstelle an.
Dann sollen alle Entwickler mal programmieren und die beste Anwendung soll sich auf der Plattform durchsetzen.
Dieser letzte Punkt war der ursprüngliche Facebook-Weg. Das hat zu einer Vielzahl von Applikationen geführt. Wir sind nicht überzeugt, dass die Nutzer sie alle haben wollen."
Aus technologischer Sicht (und damit auch aus E-Commerce-Sicht) kann man StudiVZ also vergessen, zumal der für die schnelle Verbreitung alles entscheidende Newsfeed "noch nicht konkret in Planung" ist. Da ist selbst Xing schon um einiges weiter.
Holger Schmidt, der das Interview geführt hat, fasst die Lage heute in der FAZ wie folgt zusammen:
"Es ist das Duell des Jahres im Internet: Das soziale Netzwerk Facebook kommt auf den deutschen Markt und greift den Branchenprimus StudiVZ an.
Die deutsche Studentengemeinschaft ist zwar 2005 als Facebook-Kopie entstanden, aber heute könnten die Voraussetzungen kaum ungleicher sein:
Facebook ist der technische Überflieger der Branche, hat (...) aber bisher nur 600.000 Mitglieder in Deutschland.
StudiVZ hat sich seit dem Start technisch kaum weiterentwickelt, dafür aber enorm viele Mitglieder gewonnen"
Während StudiVZ versucht, motivierten Entwicklern Knüppel vor die Beine zu werfen, geht Facebook gerade wieder in die Offensive und macht es Entwicklern so leicht wie möglich, gute Anwendungen zu entwickeln ("Gut gespielt: Facebook baut aggressiv Developer Plattform aus"):
"Facebook hat weiterhin die mit Abstand am besten geplante und ausgeführte Plattform-Strategie in diesem Marktsegment.
Dem gegenüber nehmen sich die anderen Mitspieler wie blutige Anfänger aus (Google, Plaxo) oder sind noch gar nicht erst auf dem Spielfeld aufgetaucht (MySpace, StudiVZ, XING).
Auch wenn man sich über den Sinn der meisten Facebook-Applikationen (Schafe werfen, anyone?) streiten kann, hat Facebook doch die breiteste und erfolgreichste Entwicklercommunity für allerlei lustige Zusatzmodule angezogen.
Die Verfügbarkeit vieler solcher Applikationen hält Facebook frisch und damit für die User attraktiv."
Lesenswert in diesem Zusammenhang ist auch Marcel Weiß' Beitrag über den Nutzen der Facebook-Plattform:
"Man muss Facebook, um das Konzept dahinter zu begreifen, mit einem Betriebssystem wie Windows und dessen Programmvielfalt vergleichen."
Andere Positionen und Meinungen zur Strategie von StudiVZ bei Rivva
Frühere Beiträge zum Thema:
meine prognose: es ist kein duell.
facebook wird über studivz drüberrollen!
Kommentiert von: rolf | 29. Januar 08 um 13:34 Uhr
Genau das wollte ich damit zum Ausdruck bringen.
Kommentiert von: Exciting Commerce | 29. Januar 08 um 13:40 Uhr
"Es ist sehr schwierig, diplomatische Worte für die dort geäußerten Ansichten und strategischen Überlegungen zu finden."
Du hättest die erste Fassung meines Artikels sehen sollen..
Kommentiert von: marcel weiß | 29. Januar 08 um 17:02 Uhr
Hab ich mir fast gedacht, dass das schon die entschärfte Version war ;-)
Kommentiert von: Exciting Commerce | 29. Januar 08 um 19:51 Uhr
Der Tausch auf vermeintlichen kostenlosen Websites und Angeboten im www kostet mehr als mancher denkt:
"Im Internet geben immer mehr Nutzer – zumeist freiwillig – ihre letzte Intimität preis. Dabei sind die privaten Daten des Einzelnen mittlerweile zu einer profitablen Währung im World Wide Web geworden. Zwar werden zahlreiche Online-Dienste als kostenlose Angebote beworben – gratis sind sie deshalb allerdings noch lange nicht.
Längst sind die Internetnutzer mehr als nur Konsumenten; ihre privaten Daten selbst werden zur wichtigsten Ressource einer sich neu orientierenden Werbeindustrie. Über die weitergegebenen Informationen verlieren die Nutzer nicht nur vollständig die Kontrolle; vielmehr werden die Bürgerinnen und Bürger regelrecht ihrer Privatsphäre enteignet."
Hier mehr - lesenswert:
http://blaetter.de/artikel.php?pr=2766
Kommentiert von: Ahasver | 31. Januar 08 um 22:49 Uhr
Facebook schlägt StudiVZ um Längen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die User-Basis von StudiVZ begriffen hat, dass ihnen bei Facebook mehr als 100% mehr geboten wird.
StudiVZ ist eine erfolgreiche Copycat, aber alles andere als innovativ. Naja, handelt sich ja auch um ein Plagiat :-)
Meine Prognose: Facebook wird zum Shooting-Star des Jahres 2008.
Kommentiert von: Dominic Pfluger | 20. April 08 um 02:56 Uhr