Große Arcandor-Show heute in Düsseldorf. Thomas Middelhoff will bei Arcandor nun doch eine Ehrenrunde einlegen und bis 2010 Chef bleiben. Zugleich holt er Primondo-Chef Marc Sommer in den Vorstand.
Den Aktionären hat er auf der heutigen Hauptversammlung eingebläut, das Unternehmen doch bitte als Gesamtkonstrukt zu betrachten und sich nicht willkürlich einzelne Geschäftsbereiche herauszupicken. Und wenn, dann bitte nicht die im Sinkflug.
Die Versandsparte hat mit 21% Umsatzanteil im Konzern inzwischen nur noch eine Randbedeutung, zumal die Umsätze von ca. 7,5 Mrd. (2004) auf ca. 4,4 Mrd. (2007) eingedampft wurden (errechnet, aus den Präsentationsunterlagen):
Ob sich die Quelle-Versender (s. alle Verlustbringer) - ähnlich wie Neckermann (s. Chart) und Otto (s. Chart) - noch mitten drin befinden im Abwärtsstrudel, lässt sich anhand der präsentierten Informationen nicht abschließend beurteilen. Es ist davon auszugehen.
Thomas Middelhoff zeigte sich zwar gewohnt zuversichtlich, gestand allerdings ein, dass die Arcandor-Führung den Ernst der Lage schon in den vergangenen Jahren unterschätzt hat.
Ansonsten rekapitulierte er die bisherige Versandhandelsstrategie. Weiterhin keine Antworten lieferte er den Gesellschaftern auf die drei Kernfragen:
- Warum setzt Arcandor weiterhin explizit auf eine Multi-Channel-Strategie, obwohl es weltweit noch keinem Versandhändler gelungen ist, damit Marktanteile zu gewinnen, geschweige denn Zukunftsmärkte zu erobern?
- Mit welchen neuen Geschäftsmodellen will Primondo im Wachstumsmarkt Deutschland punkten?
- Wie sieht die Primondo E-Commerce-Strategie aus? Was hat Primondo führenden E-Commerce Unternehmen wie Ebay oder Amazon online(!) entgegenzusetzen?
Bisher verfolgte Arcandor im Versandgeschäft die Taktik: Meide die Konkurrenz und verabschiede dich von Märkten, auf denen dich die Konkurrenz schlecht aussehen lässt. Stark genug fühlt sich Primondo momentan noch für Mittel- und Osteuropa. Ob diese Märkte mit einer zunehmend schwächeren Position im Heimatmarkt zu erobern sind, bleibt fraglich.
Egal, ob man das letzte Interview mit Primondo-Chef Marc Sommer ("Wir erwarten sehr viel vom TV-Shopping") liest oder die heutige Hauptversammlung verfolgt. Es lässt sich nicht erkennen, mit welchen Mitteln Arcandor/Primondo den deutschen Versandhandelsmarkt, der sich allen Prognosen zufolge bis 2015 verdoppeln wird, aktiv mitgestalten will.
Thomas Middelhoffs eigentliche Strategie dürfte deshalb sein, den eingeschlagenen Kurs fortzusetzen und die Zerschlagung des Konzerns schnellstmöglich zu vollenden.
Alles in allem also gute Nachrichten für innovationsfreudige Unternehmen, die mit schlanken Strukturen und guten Ideen für Primondo & Co. in die Bresche springen wollen.
Frühere Beiträge zum Thema:
Hallo zusammen,
ich bin ein regelmäßiger und interessierter Leser dieses Blogs, insbesondere weil viel und oft über den Versandhandel geschrieben wird. Der befindet sich nämlich tatsächlich im Aufwärtswind, auch in Deutschland. Getrieben wird das Wachstum insbesondere durch E-Commerce. Und Quelle.de ist bereits heute der nach Reichweite größte Online-Shop eines deutschen Multi-Channel Unternehmens. 40 Prozent der Quelle-Nachfrage erfolgt bereits heute über das Internet - Tendenz steigend. Mit seiner longtail-Strategie wächst Quelle.de derzeit um 40-50 Prozent, also schneller als der Online-Markt. Firmen wir WMF, Tom Tailor, S.Oliver, fahrrad.de und Görtz sind in den vergangenen Monaten auf diese Plattform gekommen, weil sie wissen, dass es kaum einen besseren Marktplatz für ihre Categories im Internet gibt als Quelle.de. Denn Quelle.de hat im Gegensatz zu den reinen Online-Playern eine Markenkompetenz in Segmenten außerhalb der Medien. Bei Textilien oder Küchen-Accessoirs schaut man eben zuerst bei Quelle.de und erst danach ggfs. noch bei anderen Online-Shops. Quelle.de bietet mittlerweile rund 800.000 Produkte an und wird die Anzahl auf 1 Mio. Produkte erhöhen. Mit über 50 Mio visits pro Monats entwickelt sich Quelle.de zu einem der größten Internet-Kaufhäuser in Europa mit großer Anziehungskraft. Um die Frage des Beitrags also zu beantworten: Die Wachstumszukunft von Quelle Deutschland liegt im E-Commerce und wird konsequent ausgebaut. Dafür sorgt nicht zuletzt Ludger Schöllgen, der als früherer Amazon-Manager den Bereich Neue Medien bei Quelle verantwortet. Weiteres Wachstum für die Gruppe ergibt sich aus dem gewaltigen Auslandswachstum. Nach drei Jahren Eigenständigkeit ist Quelle in Russland seit 2007 Marktführer im Textilversandhandel und wird im kommenden Jahr bereits das größte Quelle-Auslandsgeschäft sein. Auch in Mittelosteuropa wächst Quelle zweistellig. Gleiches gilt für den Spezialversand und den Teleshoppingsender HSE24 - und das mit guten Renditen!
Primondo hat in der Tat einen harten Sanierungsprozess erfolgreich abgeschlossen und wird in diesem Jahr wieder schwarze Zahlen schreiben. Primondo wächst und auch jedes einzelne Unternehmen. Die Zahlen zum 2. Quartal, die am 15. Mai vorgelegt werden, werden das zeigen. Insofern ist Primondo jetzt sehr gut aufgestellt, den europäischen Homeshopping-Markt aus einer führenden Position mit zu gestalten. Für alle Mitarbeiter, die in den vergangenen Jahren um die Zukunft des Unternehmens bangen mussten, ist das eine ganz wichtige und positive Botschaft. Marc Sommer kann zurecht stolz darauf sein, diese Neuausrichtung mit seinem Team und den Mitarbeitern erreicht zu haben. Nicht alles gelingt, klar. Aber wenn wesentliche Meilensteine erreicht werden, dann sollte man sich auch einmal darüber freuen dürfen. Ein bisschen Ermunterung für den weiteren Weg täte gut - auch hier im Blog!
Gerd Koslowski
Pressesprecher Primondo
Kommentiert von: Gerd Koslowski | 23. April 08 um 17:03 Uhr
Mit Verlaub, Herr Koslowski, das ist Quatsch, was Sie schreiben.
Quelle hat sich in den letzten 10 Jahren weder was die verstaubte Marke angeht, noch die Multichannelstrategie um 1 mm bewegt. Im Gegenteil: vor 10 Jahren waren noch Leute in den Kernressorts am Ruder, die was vom (Versand)Handel verstanden haben, und nicht durch eine Bertelsmann-Connection ans Ruder gekommen sind. Auch ein H.Koopmann macht keinen nachweisbaren guten Job. Und das ist ein SACHLICHER Hinweis, denn alles was er verantwortet stagniert. Sogar die teuer eingekaufte Marke HSE24 wird zugunsten Verschönerung der Handelsbilanz stromlinienförmig eingedampft. Aber bei Bon Prix, bei dem der Herr auch keine blühenden Landschaften hinterlassen hat, war man doch mehr als erstaunt, was sich die Quelle an Managern doch gönnt und ob man schon wirklich jeden nehmen müßte..Den teueren Einkauf von HSE24 hätte man sich eh sparen können, wenn man auf die Leute gehört hätte, die gegen den Verkauf von H.O.T.-Anteilen waren.
Die e-Commerce-Aussagen sind auch ein Witz! Was zählen überhaupt 50 Mio. Visits, selbst wenn sie wahr und unique wären? Als ob ein Kaufmann sagen würde: "heute waren schon 1000 Leute in meinem Laden.."Na und? Und was haben Sie in der Kasse hinterlassen? Das was sie in der Kasse hinterlassen, hat ein Experte bei Quelle schon mal mit "Inzess mit Abhängigen" tituliert. Denn die Nachfrage, die gerne mal bei Quelle nach aussen hin auch mal ja nicht Umsatz verkauft wird, wird nach wie vor stark von hauseigenen Sammelbestellern und Agenturen gemacht, die statt Callcenter das Internet nutzen müssen. Also eine reine Verlagerung von Nachfrage. Das wird Ihr von Ihnen gerühmter Amazon-Manager, bei dem man die Versanderfahrung im klasssischen Sinne auch mit der Lupe suchen muß, auch nicht richten können.
Also, lassen Sie die Kirche im Dorf, lieber Herr Koslowki, auch wenn Ihr Statement Ihnen zur Ehre reicht. Aber das ist ja auch Ihr Job ;-)
Kommentiert von: Pierre | 23. April 08 um 17:50 Uhr
Soweit ich das mitbekommen habe, ist Herr Sommer nicht neu in den Vorstand aufgenommen worden, sondern "lediglich" zum Stellvertreter von Middelhoff ernannt worden. Vorstandsmitglied war er vorher schon (und hat 2006 dabei mehr verdient als Middelhoff). Neu im Vorstand ist der Thomas Cook CEO Fontenla-Novoa.
Kommentiert von: Matthias | 23. April 08 um 17:50 Uhr
Soweit ich weiß kauft sich Quelle die Vists, von der Herr Koslowski spricht recht teuer über eigene Budgets ein - auch um für Partner interessant zu wirken. Die "echten" Visits - also die, die sich nicht z.B. als Pop-Under irgendwo ungewollt öffnen - dürfte entsprechend geringer sein.
Und, mit Verlaub: Denk ich an Mode im Internet ist quelle.de eher mein letzter Anlaufpunkt... Aber das ist sicher Geschmackssache.
Kommentiert von: Peter | 23. April 08 um 18:38 Uhr
@Gerd Koslowski: Herzlichen Dank für den ausführlichen Kommentar und Respekt dafür, dass Sie sich direkt in die Diskussion einschalten. Davon könnten sich selbst Amazon und Ebay eine Scheibe abschneiden ...
Persönlich glaube ich, dass Ludger Schöllgen und seine Leute einen wirklich tollen Job machen - im Rahmen der von der Unternehmensleitung vorgegebenen (Multi Channel) Direktiven.
Denn es liegt ja nicht ernsthaft in Ludger Schöllgens Händen, eine tragfähige Online-Strategie gegen Amazon oder Ebay zu entwickeln geschweige denn umzusetzen.
Denn dazu müsste er erstens - vom Einkauf bis zu Verkauf und Auftragsabwicklung - volle Kontrolle über seinen Kanal haben und dabei wenigstens dieselben Kompetenzen und Entscheidungsfreiheiten auf sich vereinen wie seine Counterparts Ralf Kleber bei Amazon oder Stefan Groß-Selbeck bei Ebay.
Und zweitens müsste er über den entsprechenden Mitarbeiterstab verfügen. Wobei ich mich ohnehin frage: Wenn Quelle Online allen Ernstes bereits 40% der Nachfrage trägt und Quelle wirklich ein online getriebener Versender sein will, wieviel Prozent der Quelle-Beschäftigten sind dann für den Online-Bereich tätig? Sind es annähernd die 700 Mitarbeiter, auf die beispielsweise Vente-Privée zurückgreifen kann?
In Hauptversammlungen und Presseverlautbarungen hört sich das leider immer alles sehr viel schöner an als es ist. Und genau das weckt Erwartungen bei den Mitarbeitern, die nicht zu erfüllen sind.
Mir wäre angst und bange, wenn Quelle wirklich einmal 50% oder 60% seiner Umsätze online machen müsste. Denn die Frage ist: Ist das Gesamtunternehmen strukturell und mental wirklich schon annähernd darauf vorbereitet?
Ansonsten warten wir voller Spannung auf den 15. Mai und freuen uns auf die nächsten Heldentaten.
Kommentiert von: Exciting Commerce | 23. April 08 um 22:04 Uhr
wie sich die zeit ändert jetzt ist alles vorbei...
Kommentiert von: johannes | 25. Oktober 09 um 20:21 Uhr
Ist ja nicht so, als ob man es hätte nicht vorhersehen können ...
Kommentiert von: Jochen (Exciting Commerce) | 25. Oktober 09 um 22:18 Uhr