Wer hat hierzulande schon wirklich Ahnung (sprich: praktische Erfahrung) im nachhaltigen Aufbau von Communities?
Die Internet World Business hatte vor kurzem ein in jeglicher Hinsicht großartiges Interview (PDF) mit Thomas Kaspar, dem Chefredakteur Community bei Chip/Xonio, das sie uns freundlicherweise für die Allgemeinheit freigeschaltet hat:
Internet World Business: Es gibt sicherlich einzelne Features, die das Community-Building unterstützen?
Kaspar: Nö. Wir sind recht langweilig. Bestimmte Medienverlage neigen dazu, alles sofort einführen zu wollen. Das mögen Communitys aber überhaupt nicht.
Die Nutzer wollen nicht jeden Tag einen neuen Purzelbaum schlagen. Die Besucher sind ja aus irgendeinem Grund schon da. Diese Kernfunktion muss man erkennen und nur diese verbessern.
Muss man die Mitglieder nicht mit Funktionen incentivieren?
Kaspar: Bei vielen Verlegern löst der Gedanke, dass User etwas umsonst produzieren sollen, reflexartig die Idee aus: ,Die muss man bezahlen oder belohnen. Und: Reputation ist alles‘.
So einfach ist das nicht. Natürlich kann man kurzfristig etwas anschieben. Wenn ein TFT-Monitor lockt, tun viele User zielgerichtet das, was ich von ihnen will. Langfristig funktioniert das aber nicht. Die unterste geologische Schicht ist dann brüchig und trägt die folgenden nicht.
Langfristig brauche ich einen anderen Motor. Am wichtigsten ist eine maximale Beteiligung der Community, am besten schon bei der Entwicklung. Was macht den Mitgliedern Spaß? Welche Themen sind interessant? Was will die Community? Diese Fragen können nur Mitglieder beantworten.
In den Funktionen liegt nicht die Kunst. Die kann man kopieren. Entscheidend ist das Balancing, mit dem ich ein Format baue, in dem sich die User genau richtig beteiligen können. So bekommen wir die Premium-Inhalte, die wir brauchen, und die und die Leute verwirklichen ihr Hobby.
Ich glaube zutiefst, dass Verleger keine Ahnung davon haben. Seit Jahrzehnten beschäftigen sie sich damit, wie perfekter Journalismus aussieht. Aber niemand weiß, wie man mit Usern umgeht."
Im weiteren beschreibt Thomas Caspar, wie Chip/Xonio unterschiedliche Nutzergruppen ganz unterschiedlich behandelt. Unbedingt lesen! (PDF)
Das Interview lässt zwar kaum Fragen offen. Wer dennoch welche hat, der schicke sie bitte an [email protected]. Thomas Kaspar wird sie dann in der nächsten IWB-Ausgabe beantworten.
Frühere Beiträge zum Thema:
Recht hat er. Ich erinnere mich an ein Gespräch, das ich kürzlich mit dem Urbia-Gründer hatte. Der sagt genau das Gleiche: Nicht den Kernnutzen um neuer Kapriolen willen ruinieren. Jemand hat ihm mal nahegelegt, den Familien jetzt noch eine Bestager-Community aufzusatteln. Das ist eine sehr technische Sicht, die leider bei Verlagen und auch manchen Investoren vorherrscht: Wenn man die Technik beherrscht, wird die Community schon folgen. Ist natürlich großer Unsinn.
Kommentiert von: Martin | 21. April 08 um 09:53 Uhr