Thorsten Boersma lässt in der Beurteilung der zwar kostspieligen, aber oft wenig verkaufsträchtigen Online-Shops der Luxus-Labels Milde walten und lenkt die Diskussion lieber in eine neue Richtung:
"Mal anders gefragt: Welcher (Mode-)Shop ist in Deutschland richtig gut?
Die neuen Shoppingclubs sind es nicht. Die großen Multichannelhändler verstehen zwar viel von ihrem Handwerkszeug, aber richtig sexy sind die Shops auch nicht. Und die neuen Streetwear- und Jungdesignershops in Deutschland sind ebenfalls an einigen Stellen unbefriedigend.
Mir fällt da kein richtig guter Shop ein."
Kein anderer E-Commerce-Zweig krankt so sehr an den technischen Restriktionen heutiger Shopsysteme. Mode lässt sich eben nicht in die üblichen Kategoriebäume pressen.
Für raumgreifende Erlebniswelten (Dutzende von Modeseiten eines Anbieters) fehlt vielen Marken der Mut. Denn immer noch herrscht das (ungeschriebene) Gesetz, das komplette Sortiment in einen einzigen Online-Auftritt pferchen zu müssen. "Landingpages" sind das höchste der Gefühle.
Adam Michelson, wegen seiner progressiven Ansichten inzwischen nicht nur beim Thema Social Shopping einer unserer Lieblingsautoren - hatte kürzlich eine Reihe von alternativen Ansätzen vorgestellt, u.a. auch den Shop by Outfit Ansatz des American Eagle Ablegers Martin + Osa. Auch er fragt sich:
"Rich Internet Application (RIA) capabilities, such as whiz-bang Flash and AJAX capabilities, do look cool. But do they attract return on investment for ecommerce?"
Die zu beobachtenden Unzulänglichkeiten im Modeverkauf sind letztlich nur Symptome für ein sehr viel tiefer liegendes Übel. Denn durch die Bank krankt es an untauglichen Technologien. Vieles macht zwar auf den ersten Blick und für sich betrachtet sehr viel her, ist aber in keinster Weise webtauglich:
- Flash & viele sog. Rich Media Anwendungen sind für ein Internet gemacht, in dem man sich online noch präsentieren wollte - und wirken in einer vernetzten Web 2.0 Welt fehler am Platz denn je.
- Web 2.0 taugliche, sprich: verlink- und vernetzbare Rich & Social Media Anwendungen (Widgets, Apps, etc.) sind noch nicht so ausgereift, dass sie sich schon heute problemlos einsetzen lassen. Zudem fehlt es an Einsatzmöglichkeiten und Erfahrungswerten.
- Onlineshopsysteme sind heute immer noch nicht mehr als notdürftig aufgepeppte Produktdatenbanken mit integrierter Bestellannahme. So gut wie allen Shopsystemen fehlt über die Basisfunktionalität hinaus (Datenverwaltung, Bestellabwicklung, etc.) eine emotionale Verkaufsschicht. Gefragt wären warengruppenspezifische Navigations-, Such- und Vernetzungsmethoden - Methoden vor allem, die auch web 2.0 tauglich sind.
Hier wird sich sicherlich in den kommenden Jahren einiges bewegen, da sich inzwischen auch sortiments- und zielgruppenspezifische Lösungen lohnen. Pixsta (bei Gala im Einsatz), Polyvore, Stylehive, Stylefeeder, Smatch, viele Startups im Visual und Social Shopping Bereich tüfteln an neuen Standards.
Online-Mode ist mehr als Shops und Kataloge
Doch so ganz kann man auch die Händler nicht aus der Pflicht nehmen. Denn Onlineshoppen ist eben weit mehr als Shops und Kataloge. Viel zu wenig genutzt werden die konzeptionellen Möglichkeiten, die das neue Medium dem Handel bietet. Und hier vor allem die stärkere Dynamisierung des Sortiments.
Eventshopping-Angebote wie die entstehenden Clubs, wie Threadless, Look-Zippy oder Live Shopping Seiten wie Steep & Cheap oder UneeTee weisen den Weg. Das Verkaufskonzept kann - ähnlich wie im stationären Handel - auch online eines der stärksten Differenzierungsmerkmal überhaupt sein.
Und um - (nur) etwas ketzerisch - auf Thorsten Boersmas Frage zu antworten: Unter Verkaufsgesichtspunkten ist derzeit wohl Tchibo eine der vorbildlichsten Modeseiten im Web - zumindest in den Wochen, in denen es Mode gibt ;-)
Frühere Beiträge zum Thema:
Also ich finde immer noch asos.com und oli.co.uk klasse. Die Seite von asos an sich ist noch ziemlich spröde, aber das Konzept ist exzellent.
oli.co.uk ist ja ein Otto-Ableger. Die Splashpage ist nicht spektakulär, aber das lookbook-feature ist einsam! Seine Kollektionen zusammenstellen zu können, zu resizen und resamplen, das ganze dann mit anderen zu teilen... Das ist endlich mal "anprobieren" im Internet.
Kommentiert von: Martin | 30. Mai 08 um 08:13 Uhr
Meiner Ansicht hat das Problem nichts mit dem Medium Internet zu tun.
Es ist das Dilemma des Versandhandels, dass ich die Haptik des Stoffs und den Schnitt eines Kleides erst zu Hause prüfen kann.
Kommentiert von: aha | 30. Mai 08 um 14:31 Uhr
Ich finde ja immer noch, dass Frontline (www.ziehdichan.com) einen sehr ordentlichen Webshop betreibt.
Ich habe die Entwicklung der Seite seit Beginn mitverfolgt und finde, dass v.a. die folgenden Features das Online-Einkaufserlebnis bereichern:
- Klassifizierung von Produkten nach sog. "Departments", also Stilkategorien der potentiellen Kunden, die über die übliche (und natürlich auch angebotene)geschlechts- oder produktsspezifische Differenzierung des Sortiments hinausgehen
- Aktivierung von bestehenden Kunden durch markenspezifische "Brandneu-Melder"
- Exklusivisierung des Angebots durch "Brandstores", die z. T. Produkte enthalten, die normalerweise nur in herstellereigenen Flagship-Stores erhältlich sind
- Emotionalisierung durch komplimentär zum Webstore angebotenen Printkatalogen, in denen die Neuigkeiten im Sortiment visuell sehr ansprechend präsentiert werden
Darüberhinaus bietet Frontline die üblichen Empfehlungs-, "wenndirdasgefällt,gefälltdirsicherauchdas"-Funktionalitäten und eine Amazon-artige Wunschliste, die das Angebot zumindest ein bisschen viral macht.
Die Kompatibilität des Angebots mit z. B. Polyvore habe ich noch nicht überprüft, denke aber, dass die Bereitstellung von Schnittstellen langfristig sicherlich wichtiger ist, als die Entwicklung eigener, "sozialer" Features.
P.S. Dass Marken auf ihren eigenen Seiten immer noch viel flashen, verwundert mich nicht - hier geht es um das emotionale Aufladen (s. auch Entwicklung im Offline-Bereich: Flagship-Stores) der eigenen Produkte und nicht um Usability und Conversion.. "Flashshipstores" sozusagen...
Kommentiert von: Tobias Huber | 30. Mai 08 um 15:47 Uhr
also emotional find ich den nicht, aber er hat nette features mit drin für die anzeige der bilder in einer liste oder der filter nach farbe etc. aber was an einem online-katalog zum durchblättern toll sein soll, hab ich noch nie verstanden. vielleicht für nostalgiker?
Kommentiert von: paulinepauline | 30. Mai 08 um 18:11 Uhr
ich meinte wie gesagt nicht die online-, sondern die dazugehörigen printkataloge
Kommentiert von: Tobias Huber | 31. Mai 08 um 13:29 Uhr
Vielen Dank fuer den guten Artikel. Danke fuer die Erwaehnung der PIXSTA - Picture Your Search Loesung. Wir arbeiten an Algorithmen mit denen sich die Aehnlichkeiten in Bildern (also auch bei Mode) bestimmen lassen. Dies ermoeglicht die Sucheingabe in der Form eines Bildes, nicht mehr wie bei Text basierten suchen eines Wortes. Hier ergeben sich viele neue Anwendungsgebiete, wobei sich PIXSTA als anbieter eines Visuellen Index den Mode als auch anderen Bildbasierten unternehmen anbietet. ModeUnternehmen bieten wir eine Bild API mit der Ihr eigenes Inventar durchsucht werden kann. Wir bieten auch Konsumenten an, diesen Bild Algorithmus auf http://www.pixsta.com oder den laenderspezifischen Domains zu durchsuchen. Wie z.B. http://www.pixsta.co.uk in England. Gerne koennen Sie uns unter alexandra@pixsta.com in Deutschland zu Fragen erreichen.
Kommentiert von: Alexander Straub | 02. Juni 08 um 11:48 Uhr