Der von uns als Online-Experte sehr geschätzte Eric Kubitz ist beileibe nicht der einzige, der Live Shopping für absoluten Quatsch hält. Aber keiner hat die Gegenargumente so feinsäuberlich zusammengestellt wie er ("Live Shopping ein Erfolgsmodell? Nicht wirklich").
Dem gestrigen Beitrag war zu entnehmen, dass es hierzulande mittlerweile 25 Live Shopping Anbieter gibt. Nicht entgangen sein dürfte dem aufmerksamen Leser aber auch, dass bisher jeder zweite Live Shopping Anbieter - vier der ersten acht - gescheitert ist. Mittelfristig dürfte die Ausfallquote sogar auf 80 bis 90% steigen. Das lässt sich bei einem neuartigen und nicht gerade einfach handzuhabenden Konzept nicht vermeiden.
Live Shopping ist kein Selbstläufer. Das hat auch nie jemand behauptet. Dass Live Shopping allerdings alleine schon deswegen zum Scheitern verurteilt ist, weil alle Seiten gleich aussehen, ist ein eigenartiges Argument. Wieviele konventionelle Online-Shops dürfte es dann geben?
Ein halbes Dutzend Anbieter hat inzwischen den "Proof-of-Concept" erbracht. Gut dokumentiert sind die Erfolge von Woot!, iBOOD und Zazz!. Insofern kann man Eric Kubitz' Frage "An einen Stand-Alone-Anbieter glaubt doch keiner wirklich, oder?" mit einem klaren "Sehr wohl!" beantworten.
E-Commerce ist ein Wachstumsmarkt, dessen Boomphase noch bevorsteht. Das Potenzial für Live Shopping im Internet liegt unseren Schätzungen zufolge bei einer Milliarde Euro auf Fünf- bis Zehnjahressicht. Wieviele Live Shopping Anbieter es dafür braucht? Auf jeden Fall mehr als die für dieses Jahr anvisierten 50.
Live Shopping wird als Geschäftsmodell traditionell unterschätzt. Bestes Beispiel aus eigener Erfahrung: Der Shoppingsender HSE24, der damals noch als H.O.T. Home Order Television firmierte und allein auf weiter Flur war, hat die Jahre 1995 und 1996 mit Miniumsätzen gerade so überstanden. Quelle war der erste Investor, dem das Ganze zu heiß wurde und komplett ausgestiegen ist. Heute ist der deutsche Markt für TV-Shopping ein Milliardenmarkt, auch wenn so mancher alteingesessene Versandhändler auch heute noch bezweifelt, dass Teleshopping überhaupt funktioniert. Und HSE24 ist heute wieder Teil von Quelle/Primondo.
Bei aller Euphorie sollte man allerdings nicht übersehen: Exciting Commerce ist ein MutMacher-Blog für alle, die Neues wagen wollen und den E-Commerce der Zukunft gestalten wollen. Wir versuchen jenseits der eingefahrenen Bahnen Potenziale aufzuzeigen, genauso gut aber auf mögliche Fallstricke hinzuweisen. Der Grundtenor wird immer optimistisch zukunftsgewandt bleiben, auch wenn das allzu leicht als "Hype" missverstanden werden kann. Wer allerdings todsichere Konzepte sucht und nicht bereit ist zu experimentieren, der ist auf anderen, "Best Practice"-Seiten weitaus besser aufgehoben.
Ja, und du hast auch ganz Recht: Man sollte so etwas nicht kleinschreiben (was ich gar nicht machen wollte). Aber ich finde trotzdem, dass man potentiellen Next-Live-Shoppern nicht nur Mut sondern auch etwas Nachdenklichkeit verpassen sollte.
Und noch zu den Stand-Alone-Liveshopper: Ich halte das als Businesskonzept für unwahrscheinlich, habe aber hierbei sicher deutich weniger Ahnung als ihr. Ich denke mir halt, dass die es extrem schwer haben in einer Welt, in der Google regiert.
Aber ich gehe eh davon aus, dass sich ein größerer Teil dieser Gründungen vor allem für eine Übername schmücken. Und das macht Sinn. Denn eines denke ich auch: als Teil eines gesammten Handels-Konzeptes ist Live-Shopping sicher eine sehr gute Idee.
Kommentiert von: eric | 06. Mai 08 um 20:16 Uhr
Als "kleinschreiben" habe ich es auch nicht gesehen, die Einwände sind ja legitim, sondern eher als willkommene Gelegenheit - mit hoffentlich ebenso guten Argumenten - dagegenzuhalten ;-)
Kommentiert von: Exciting Commerce | 06. Mai 08 um 20:21 Uhr
Über die Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells nachzudenken, erscheint mir sicher angebracht. Die wird sich ja nicht in Foren-Postings, Community-Aktivitäten, Anzahl registrierter Mitglieder usw. erweisen, sondern in harten betriebswirtschaftlichen Faktoren: Umsatz, Rohertrag, Kosten, Gewinn ...
Es ist klar, dass dieses Konzept des Live Shopping mit reduziertem Sortiment und absoluten Niedrigst-Preisen hier besonders schwierig ist und bleiben wird.
Aber:
- Es entsteht hier ganz klar ein neues Segment im Online-Shopping, das bereits jetzt, also wirklich extrem früh, gute Umsätze zieht.
- Wie immer ziehen hier dann eben auch Start-ups hoch, die von vorne herein eigentlich keine Chance haben, das zu bewältigen. Das sehen die dann auch früher oder später ;-)
- Darüber, ob das alles nachhaltig ist und gut gehen wird, kann man trefflich spekulieren (der Home Order Televison Vergleich greift da gut!), nur, keiner weiss es ja heute. Wir werden es aber alle erleben. Lasst es uns einfach abwarten
- Wer im frühen Stadium sein Geld riskiert in der Erwartung, das Segement wird groß und profitabel, der weiss ja was er tut. Hofffe ich. Im allerschlimmsten Fall ist halt die Kohle weg - so what, ist doch nur Geld ;-)
- Einige Argumenationen erinnern dann aber schon an jenen Physiker, der mathematisch unwiderlegbar bewiesen hat, dass die Hummel nicht fliegen kann. Anfangs kamen da die Juristen, die das gleich für verboten erklärten. Nun gut, das hat sich ja wohl erledigt, oder? Jetzt kommen eben die, die sagen "Das kann gar nicht funktionieren, das wird sich nie rechnen". Ich denke, auch das wird sich durch die normative Kraft des Faktischen erledigen
- Ich glaube aber auch, dass es sich natürlich nicht für jeden, der das jetzt macht, rechnen wird. Natürlich gehen da welche pleite, natürlich springen Investoren wieder ab und Business Angels wandeln sich zu den bekannten Business Devils. das ist der normale Gang der Dinge. Und am Ende des Tages bleiben eben (wenn der Markt kommt) einige übrig, für die es sich auch rechnen wird.
- In der jetzigen Phase ist jeder, der einen Live Shop startet gut, weil dadurch der Markt gemacht wird. Insofern hoffe ich, Jochens Prognose auf 50 Ende 2009 tritt ein. Das bringt kritische Masse. Dann dreht der Markt irgend wann auf und gleichzeitig bereinigt er sich. So hat man das - gerade in Online Märkten, aber nicht nur da - schon oft erlebt.
Kommentiert von: Peter | 07. Mai 08 um 11:20 Uhr
@peter:
Deine letzte These finde ich schlicht falsch. Sorry. Aber ich denke, wir befinden uns in einem recht kritischen Stadium, bei dem die Web-Euphorie gerade ein wenig kippeln könnte. Und da wiegt ein pleite gegangenes Startup emotional für die ganze Branche viel mehr, als eine ganze Handvoll von Jungunternehmern, die mit Mut und Begeisterung voran gehen.
Ich denke, nicht das *irgendwas* gegründet wird ist wichtig, sondern dass die Ideen auch eine Chance haben. Hey, wir sind nicht mehr im Jahr 1999 sondern es gibt eine Menge Web-Unternehmer mit richtig viel Erfahrung...
Ich habe allerdings noch keine Begründung gelesen, warum der 50 Live-Shopper eine Chance haben sollte...
Allerdings mit der Hummel-Sache hast du einfach Recht. Da kann ich einfach nix gegen sagen :-)
Kommentiert von: Eric | 07. Mai 08 um 14:20 Uhr
@Eric: Da hast Du natürlich nicht unrecht. Aber es gibt derzeit eben sehr viele "Micro start-ups", deren Bedeutung, schon bevor sie wieder verschwinden, nahe null ist. Wenn die nicht durchkommen, merkt es eben auch keiner und ich denke, das schadet nicht. Jeder, der ein paar neue User mit LiveShopping bekannt macht, hilft, den Markt zu entwickeln.
Interessant ist aber auch, dass weder der Abgang von Cyberport24, noch der von Hauptstadtprodukte geschadet hat - da könnte man fast den gegenteiligen Eindruck haben.
50 LiveShopper haben natürlich keine Chance, aber sie werden sie dennoch nutzen ;-) ... und keine 10 werden nachhaltigen Erfolg haben, auch klar.
Kommentiert von: Peter | 07. Mai 08 um 16:05 Uhr