Kehrt nach 15 Jahren endlich Vernunft ein in der Branche? - Wie schon 2009 (s. Top-Shops bevorzugen eigenentwickelte Systeme) räumt der Schweizer E-Commerce-Report auch 2010 wieder mit ein paar wohl gehegten Mythen auf - und entlarvt dieses Mal Multi-Channel-Strategien als Wachstumsbremse (PDF, "Wachstumsstrategie setzt sich durch"):
"Im Jahr 2009 verfolgte noch ein Drittel der Studienteilnehmer eine „ausgewogene Mehrkanalstrategie“, während die anderen auf Wachstum setzten. Hintergrund war der Versuch einer Verschonung der angestammten Offlinekanäle vor Konkurrenz aus den eigenen Onlineaktivitäten.
Diese Haltung musste weitgehend aufgegeben werden. Die Unternehmen haben erfahren, dass ihnen Wettbewerber Marktanteile abnehmen, wenn sie selbst den Onlinekanal nur halbherzig vorantreiben.
Einige der betroffenen Firmen stehen mitten in äusserst anspruchsvollen Neupositionierungen. Sie nehmen jetzt eine gewisse Selbstkannibalisierung in Kauf und versuchen, die verschiedenen Verkaufskanäle so aufeinender abzustimmen, dass durch ein vorteilhaftes Zusammenspiel das Leistungsniveau insgesamt erhöht werden kann."
Im Gegensatz zu gesättigten Märkten ist in Wachstumsmärkten die Fokussierung auf den wachstumstreibenden Kanal entscheidend für den Erfolg. Das zeigen die Zahlen zwar schon lange, das hat die Branche aber bisher nicht davon abgehalten, am Multi-Channel-Mythos festzuhalten.
Warum auch? Schließlich verdient die Branche (Systemanbieter, Dienstleister, Agenturen und Berater) mit den Multi-Channel-Anbietern am besten - bis die Pleite sie scheidet ("Beginnt jetzt die Zukunft des deutschen Versandhandels?")
Bleibt zu hoffen, dass der Sinneswandel anhält, viele der "Fliewatüüt"-Strategien ein Ende finden und der Handel endlich beginnen kann, an geeigneteren Geschäftsmodellen zu arbeiten und tragfähige Online-Strategien zu entwickeln.
Thomas Lang hat eine Zusammenfassung des Schweizer E-Commerce-Report, der Ende Mai erscheint
Hanebüchen!
Kommentiert von: Guuter Freund | 21. Mai 10 um 21:00 Uhr
Danke :-)
Kommentiert von: Jochen (Exciting Commerce) | 21. Mai 10 um 22:27 Uhr
Auch ´ne Art mit Kritik umzugehen ;-)
Kommentiert von: Guuter Freund | 22. Mai 10 um 00:05 Uhr
Es gibt eben zwei sehr konträre Positionen zu diesem Thema. Das ist ja erstmal nichts Schlechtes, oder?
Kommentiert von: Jochen (Exciting Commerce) | 22. Mai 10 um 00:19 Uhr
Ich finde die Beweislast erdrückend: Online-Business ist aufgrund seiner Prozesse und Business-Regeln ein eigener Markt. Es ist doch logisch, dass die Erfolg haben, die sich diesen Spielregeln am besten anpassen. Wer Tischtennis UND Tennis mit einem Schläger spielen will, der wird weder hier noch da erfolgreich sein. Sich das eine oder andere beim anderen Spiel abzuschauen ist ja etwas anderes.
Oder um es in der Kommentarqualität von Guuter Freund zu sagen: Logisch! :-)
Kommentiert von: Marcel | 25. Mai 10 um 15:01 Uhr
Naja, ich finde die Beweislast auch sehr erdrückend:
- der Multichannel-Spezialversand überlebt mit schlanken Prozessen und Retail-KnowHow die allermeisten hochgelobten Online-Startups
- Selbst reine Onliner erkennen die Effekte (Reichweite, Branding, ...) des Multichannel und gehen in weitere Kanäle, z.B. Cyberport
Dass ein Kanal "halbherzig vorangetrieben" überhaupt keinen Sinn macht versteht sich doch von selbst, egal welcher - daraus allerdings ein Defizit einer starken Multichannelstrategie abzuleiten halte ich für schlicht falsch und zu kurz gesprungen...
Aber @Jochen: schön polarisierend geschrieben :)
Kommentiert von: derTrickle | 25. Mai 10 um 16:58 Uhr
Die Frage ist doch: Was ist leichter zu erwerben: Retail-Knowhow oder Online-Knowhow?
Kommentiert von: Jochen (Exciting Commerce) | 25. Mai 10 um 18:32 Uhr
Ich denke "Top-Shops bevorzugen eigenentwickelte Systeme" ergibt "Multi-Channel-Strategien als Wachstumsbremse". Das Thema ist zu Komplex um alles auf Anhieb richtig zu machen. Mit der falschen Standardsoftware oder einem unfähigen Implementierungspartner kann aber auch Standardsoftware untauglich gemacht werden. e-Commerce ist halt nicht "Wir bauen schnell einen Marketing Online Auftritt der nach 2 Monaten wieder verschwindet"
Kommentiert von: Erich | 25. Mai 10 um 21:34 Uhr
Was ist denn die Alternative zu Multi-Channel? Ich stimme derTrickle voll und ganz zu: ein halbherziges Herangehen hat noch nie Erfolg gebracht. Also sollte die eCommerce Strategie der klassichen Versandhändler ganz klar im Fokus stehen. Aber warum soll ich auf Katalog-Anstoßketten verzichten, wenn ich damit regelmaäßig Umsatz-Peaks auslöse...
Ich glaube es tut den Versandhändlern gut wenn sie in die Online-Welt eintauchen und mitbekommen, wie schlank Prozesse sein können...
Kommentiert von: twister | 26. Mai 10 um 13:04 Uhr
sehe ich genaus wie twister. Am Ende des Tages wird das Konzept funktionieren welches das beste Preis-Leistungsverhältnis für den Kunden bietet und einen richtigen Mehrwert schafft. Auch ein guter Katalog kann einen richtigen Online-Push auslösen - der wirtschaftlicher ist als alles was reinen Online-Händler kennen - warum die Kataloge um jeden Preis aufgeben? Händler können neben SEM, SEO, eMail, PPS etc. auch Kataloge machen!
Kommentiert von: Stefan | 26. Mai 10 um 20:34 Uhr
Da frage ich mich immer, wie Amazon ohne Katalog überleben kann :-)
Die Alternative zu Multi-Channel sind komplementäre Geschäftsmodell, mit denen sich etablierte Händler Online-Zielgruppen erschließen können. Dazu müsste man allerdings wissen, was die Kernkompetenz ist. Und daran hapert es leider, weil sich klassische Versandhändler vor allem über den Katalog identifizieren.
Kommentiert von: Jochen (Exciting Commerce) | 26. Mai 10 um 20:47 Uhr
ich denke hier wird leider auch etwas äpfel mit birnen verglichen..! was genau ist denn multi-channel? sprich was ist eine multi-channel strategie? ich finde das kommt im schweizer bericht (ich bin schweizer) nicht gut weg.
multi-channel bedeutet doch für unternehmen (im retail so wie wir das sind), dass der kunde den kanal wechseln kann und z.B. ein gekauftes kleidungsstück online auch stationär wieder retournieren kann (als beispiel). multi-channel bedeutet ja nicht, dass offline unbedingt analog online aufgebaut oder mitgezogen werden muss. jeder kanal hat seine eigenheiten, aber eine kunde hat doch kein verständnis, wenn ein unternehmen offline nicht einmal weiss was online passiert oder umgekehrt!
Kommentiert von: Stefan Buess | 05. Juni 10 um 09:13 Uhr
Wie gesagt, gegen eine Multi-Channel-Strategie ist nichts einzuwenden, nur sollten sich die, die mehrere Kanäle bedienen (müssen), nicht einbilden, online vorne mitmischen zu können. Das war ja der eigentliche Aufhänger (für den Beitrag). Dies scheinen zumindest einige Schweizer Händler erkannt zu haben.
Kommentiert von: Jochen (Exciting Commerce) | 05. Juni 10 um 23:18 Uhr