Wenn man sich Gedanken zum Thema "Shopsysteme gestern, heute und morgen" macht, dann stößt man unweigerlich auf ein paar sehr grundsätzliche Fragen: Warum haben wir eigentlich im Online-Handel die Technologien und Systeme, die wir heute haben? - und: Sind das auch die Systeme und Lösungen, die wir zukünftig brauchen?
Im wesentlichen sind es drei Themenkomplexe, die einen ins Grübeln bringen und die - sei es für etablierte wie für neue Techplayer im Markt - auch weiterhin jede Menge Spielraum für Innovationen bieten.
Wann fangen wir an, in E-Commerce-Anwendungen zu denken statt in (Online-)Shops?
Diesem Thema haben wir in der jüngsten Exchanges-Ausgabe den meisten Raum gewidmet, weil es eine der Schlüsselfragen ist: Was ist eigentlich unser Verständnis von E-Commerce?
Während die Branche zumeist noch sehr konventionell an ihren Shops(ystemen) hängt, sind die Menschen in erster Linie an zeitgemäßen E-Commerce-Anwendungen interessiert, die ihnen den (täglichen) Einkauf erleichtern und/oder das (Online-)Shoppingerlebnis steigern. Hier dürfte über kurz oder lang auch handelsseitig ein Umdenken erfolgen (müssen?) - weg von der reinen Kanal-Denke hin zu einem konzeptionelleren, kundenorientierteren Denken (siehe auch Exchanges #11: Amazon und die neuen Erlösströme).
Interessanterweise waren wir bei diesem Thema schon einmal erheblich weiter, als sich im Zuge der iPhone-Einführung (2007) und der Facebook-Apps (2008) auch im E-Commerce Menschen verstärkt Gedanken über sinnvolle Web-Anwendungen gemacht haben. Der Backlash erfolgte allerdings auf dem Fuße und dürfte seinen bisherigen Tiefpunkt mit der Welle an "Facebook-Shops" erreicht haben. Generell gilt jedoch: Je mehr Kanäle/Geräte zu bedienen sind, desto mehr verzettelt man sich mit der Kanaldenke.
Brauchen wir (Online-)Handelssysteme statt Online-Shopsysteme?
E-Commerce-Systemanbieter neigen dazu, sich mit ihren Lösungen an bestehende Märkte, will heißen: an den traditionellen Handel zu wenden - zunächst an die Katalogversender, heute an den stationären Handel und/oder die Marken/hersteller. Entsprechend sind die gängigen Online-(Shop-)Systeme noch sehr oft als Krücken und Hilfsmittel konzipiert, die dem Handel den Online-Einsteig erleichtern und/oder ihm helfen sollen, seine bestehenden Sortimente online anzubieten.
Speziell (reine) Online-Händler haben jedoch seit jeher das Problem, dass das Shopsystem alleine nicht ausreicht. Jenseits der Warenwirtschaftssysteme gibt es ein paar dedizierte Versandhandelslösungen. Doch speziell der Aufstieg von Pixi, Plentymarkets & Co. symbolisiert am ehesten den sich vollziehenden, technologischen Wandel, dass eben parallel zu den Shopsystemen mit dem E-Commerce-Boom auch eine Reihe von (Online-)Handelslösungen entstanden sind, die im Markt eine zunehmend prägendere Rolle übernehmen, weil sie in der Regel sehr viel prozessorientierter angelegt sind als reine Shopsysteme.
Die Grenzen zwischen Handels- und Shopsystemen werden dabei zunehmend fließender. Und jeder kann sich selber überlegen, was auf Dauer mehr Sinn macht: das Modell Hybris als SAP-Modul für den E-Commerce - oder den Weg, den Plentymarkets und Shopware einschlagen. Womit wir beim dritten Themenkomplex wären:
Sind die heutigen Enterprise-Lösungen wirklich die Krone der E-Commerce-Schöpfung?
Diesen Eindruck könnte man gewinnen, wenn man sich in der Szene umhört, die ja immer noch sehr vertriebsgetrieben agiert. Jeder möchte den Enterprise-Markt erobern. Eine E-Commerce-Lösung scheint erst dann etwas wert, wenn sie auch die sog. Enterprise-Kunden zufriedenstellt - in der Regel große Handelshäuser mit einer Vielzahl von Bestellungen.
Einmal abgesehen davon, dass die wirklichen Big Player im Online-Handel, die Amazons, die Zalandos und neuerdings auch die Ottos dazu neigen, systemseitig eigene Wege zu gehen (siehe auch das neue Lhotse-Dossier auf den Otto-Seiten), stellt sich die Frage, was auf lange Sicht mehr Wert ist: ein System/eine Technologie, die ein breites Spektrum von E-Commerce-Unternehmen/Anwendungen bedienen kann oder eines, das bewusst beschränkt ist auf ein sehr enges Marktsegment?
Wohl nicht ohne Grund kamen die wirklichen Impulse und Innovationen im Technologiebereich in den letzten Jahren - schon mangels Masse - nicht von den Enterprise-Anbietern, sondern von den Magentos oder den Shopwares, die E-Commerce neu und anders denken können. Hier werden nicht nur die Lösungen für den "Enterprise"-Markt von morgen entwickelt. Sie können den Markt auch sehr viel aktiver gestalten und in ihre Richtung drehen als die sogenannten Enterprise-Anbieter.
Es gäbe noch ein paar weitere Zukunftsthemen und -Aspkete im Technologiebereich, die wir zum Teil auch im Podcast angerissen haben - das Nachholpotenzial der bisherigen Systeme bei der Kundenansprache, die Rolle von SaaS- und PaaS-Lösungen speziell für (Marken-)Hersteller, etc.
Wir hoffen aber, dass sich die ein oder andere Debatte auch im Rahmen der K5 Konferenz entspinnt, wo es handels-, aber auch technologieseitig wieder genau um derlei Strategie- und Zukunftsfragen gehen soll: Was braucht der (Online-)Handel der Zukunft?
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