von Anissa Stettner
Der Community zeigen, was man mag, was man sich wünscht, oder aber auch, was man gekauft hat - Social Shopping und Social Bookmarking in dieser Form gibt es mit Anbietern wie Kaboodle, ThisNext, Wists, oder aber auch Edelight bereits seit Jahren: Man legt Listen an, übernimmt Produktfunde der Anderen in die eigenen Listen oder fügt sie den eigenen Favoriten hinzu; man kommentiert die Funde der Anderen und baut sich eine eigene kleine Community, indem man andere User followt oder als Freund markiert.
Pinterest, aus Palo Alto/USA und vor einem guten halben Jahr gestartet, bringt da im Grunde nichts Neues, aber das macht die Anwendung wiederum so einfach nutzbar, weil User sich nicht in ein neues System eindenken müssen: browsen, finden, per Bookmarklet "pinnen" und mit der Pinterest-Community teilen.
Der allgemeine Konsens auf amerikanischen Designblogs ist: Pinterest ist ein Crossover von Tumblr und FFFFound, was aber nicht ganz stimmt. Pinterest ist kein Blogservice und auch nicht nur eine schnöde Bildersammelmappe. Hier enstehen selbstkuratierte Sammlungen von Fundstücken aus dem Web, wobei der eigentliche Schwerpunkt beim Shoppen liegen sollte. Was Pinterest ausserdem von beiden absetzt, ist die Ästhetik; kataloggleich kommen Kollektionen der User daher, alles sieht irgendwie "appealing" aus, und seien es die schnödesten Bilder von irgendwo aus dem Web.
Pinterests Startseite wird so nicht nur zum Einstieg stundenlangen Stöberns -und natürlich vielleicht auch Shoppens- sondern reflektiert ausserdem den Zeitgeist der shoppenden, designmögenden, kreativen Szene im Web, die sich so immer wieder gegenseitig inspiriert und Trends vorgibt. Und das ganz ohne nervige Werbebanner oder Google-AdWords, mit denen mittlerweile alle oben genannten Social-Shopping-Dienste gnadenlos überfrachtet sind.
Einfacher geht's nicht
Ein jedes Bild auf Pinterest kann von anderen usern "repinned", also in die eigene Kollektionen aufgenommen werden. Die so entstehenden (dynamischen) Seiten werden Pinboards genannt. Jeder Fund und jedes Pinboard kann wiederum mit Tags versehen werden, um anderen Nutzern die thematische Suche zu erleichtern.
Kollektionen entstehen, indem jedes gepinnte Bild gleich einem sogenannten Board (man denke an "Moodboards") zugeordnet werden; und so finden sich von Ausgehklamotten bis Zuckerkram Boards zu allen erdenklichen Themenfeldern, die alle auf der Profilseite eines jeden Users zu finden sind.
Ausserdem findet sich auf der Profilseite eines Users eine Zeitschiene, quasi Statusmeldungen, zu dessen Aktionen auf Pinterest.
Was wäre eine Social-Web-Sache ohne Belohnungen? Als Incentive zum Vielfinden dient die Aufnahme in die "Most Discussed"-Kategorie, aber auch als "Tastemaker" zu gelten, dürfte Anreiz genug sein, sich ins Zeug zu legen und den Pool der schönen Dinge ständig mitauszubauen.
Im Gegensatz zu Diensten wie tumblr und FFFound haben die Macher von Pinterest den Dienst so eingerichtet, dass die direkte URL zur Originalquelle eines Bildes immer bestehen bleibt, die Herkunft -und damit auch der zur Netiquette gehörende Quellverweis- also stets nachvollziehbar bleiben wird; ganz besonders wichtig ist dies freilich für kaufbare Produkte.
Der Produktpool auf Pinterest lebt aber eigentlich von zwei Aktionen: einmal davon, dass immer wieder neue Pins ausserhalb der Plattform getätigt werden; dass Nutzer also Neues in den Pool der schönen Dinge einbringen. Das geschieht entweder per Bookmarklet oder manuell über eine Eingabemaske direkt auf Pinterest. Zum anderen besteht eben ein nicht kleiner Anteil der Dynamik darin, Funde der Anderen in die eigenen Sammlungen aufzunehmen. So entsteht zwar auch viel Redundanz, die sich aber auf lange Sicht verlaufen wird, da die Community um jeden Nutzer niemals gleich sein dürfte.
COPYRIGHTS, anyone?
Kritisch sehe ich hier wie auf allen ähnlichen Projekten, von FFFound über Tumblr bis zu Polyvore, dass Copyrights bzw. Urheberrechte massiv beschnitten werden, und das könnte einigen sauer aufstossen. In den Pool der Funde reihen sich nicht nur kaufbare Produkte, sondern auch Bilder von Blogs und anderen Webseiten, die unter Umständen mit Copyrights versehen sind und deren Besitzer daher vorher um Erlaubnis gebeten werden müssten. Das tut im web2.0 aber niemand mehr, und daher halten Pinterest sich den Rücken dadurch frei, dass jeder Pin vom Management jederzeit wieder gelöscht werden kann.
Mobil dabei?
Die Nachfrage nach einer Pinterest-App für das iPad und das iPhone war gleich zu Beginn gross. So gross, dass die Macher an einer richtigen App für beides arbeiten; auf dem iPad ist das Pinterest-Bookmarklet bereits nutzbar. Was Nutzer aber eigentlich interessiert, ist eine App, die sie unterwegs aufgenommene Photos pinnen lässt - etwa von der Shoppingtour, wenn einem wieder einmal tolle Sachen über den Weg laufen, oder wenn mit dem mobilen Endgerät ein tolles Photo gelungen ist.
Interessant wäre dann eigentlich, eine App sowohl für Applefans als auch für Androiden bereit zu stellen - was hoffentlich bald soweit sein wird.
Wer Pinnt?
Ein schneller Blick verrät: Pinterest zieht vor allen Dingen weibliche Nutzer an; vom Moodboard für die eigene Hochzeit, über Mode und Ausgehfrisuren sowie Inneneinrichtungsideen bis zu Designinspirationen ist so ziemlich alles vertreten, was das kreative Web derzeit umtreibt. Noch scheinen die männlichen Finder aller guten Dinge in der Minderheit zu sein; das mag vielleicht daran liegen, dass Männer anders shoppen, oder auch Anderes, oder einfach keine Sammler sind und sich mit erjagten Deals zufrieden geben.
Wie kommt man rein?
Im Moment werden neue Accounts über eine Warteliste ("request an invite") vergeben; oder man hat das Glück und wird von Freunden eingeladen, denn jeder registrierte Nutzer darf Invites vergeben.
Fazit
Pinterest ist mehr als nur ein Crossover von lediglich FFFound und tumblr. Es ist vielmehr eine gelungene Fusion von Konzepten wie ThisNext, flickr und tumblr, und daher auch so unwiderstehlich, denn eigentlich kann man sich so schon fast die Mitgliedschaft auf vier verschiedenen Plattformen sparen, inklusive der jeweils anfallenden Aktivitäten wie Kommentieren, Posten, Wiederposten und Mitmachen in der Community. Und eine Verschlankung unserer Social-Web-Mitgliedschaften wäre angesichts der Fülle von Diensten und Angeboten eigentlich ganz nett.
Dieser Exciting Commerce Beitrag erscheint auch auf handmade2.0
Frühere Beiträge zum Thema:
Letzte Kommentare