Gunnar Piening ist seit Mai 2007 Geschäftsführer der Münchner Sofina GmbH, die mit rund 25 Mitarbeitern die Auktionsplattform TeleBid betreibt. Zuletzt war er als Vorstand beim Verbraucherportal Ciao.
Im Interview gibt er Einblicke in das Geschäftsmodell von Telebid und erläutert, was Telebid für Nutzer und Betreiber gleichermaßen reizvoll macht.
Exciting Commerce: Sie sagen, "TeleBid ist das mit Abstand spannendste E-Commerce Konzept, das sich derzeit im Internet findet." Was ist so einzigartig und spannend an TeleBid?
Gunnar Piening: TeleBid führt Auktionen in Echtzeit über das Internet durch und hat dabei einen Modus der Preisfindung entworfen, der in dieser Form weltweit einzigartig ist. TeleBid ist eine Auktionsplattform bei der unterschiedliche Bedürfnisse der Nutzer gleichzeitig angesprochen werden: 1) Spannung, da die Auktionen jederzeit zu Ende gehen können; 2) Schnäppchenjagd, da die Zuschlagpreise immer deutlich unter dem eigentlichen Warenwert liegen; 3) Strategiespiel, da derjenige am erfolgreichsten sein wird, der nicht nur drauflos bietet, sondern seine Auktionsgegner beobachtet und sich seine Strategie zurechtlegt. Natürlich gehört auch eine Portion Glück dazu, doch letztlich ist TeleBid kein Glücksspiel, sondern ein Strategiespiel, bei dem es um reale Werte geht.
Wer ein bisschen nachforscht, der nimmt TeleBid momentan weniger als spannendes E-Commerce-Angebot wahr, sondern eher als Anbieter, der seine Nutzer abzockt und meinungsfreudige Kritiker mit Klagen überzieht. Darf über TeleBid nicht offen diskutiert werden, oder welche PR-Strategie steckt hinter diesem Vorgehen?
Gunnar Piening: Wir sind sehr daran interessiert, dass wir Feedback von unseren Nutzern bekommen – sei es nun in Blogs oder Foren oder direkt in Emails an uns. Einige der Meinungsäußerungen, die man derzeit im Internet über TeleBid finden kann, beruhen weniger auf einer sachlichen Auseinandersetzung mit unserem Geschäftsmodell, sondern unterstellen einfach, dass TeleBid abzockt oder sonstwie manipuliert.
TeleBid ist mit Sicherheit das risikoreichste E-Commerce Modell, das es derzeit gibt – und zwar nicht für die Teilnehmer, sondern für uns als Anbieter. Wenn Sie sich die vielen niedrigen Endpreise der Auktionen ansehen, bekommen Sie ein klareres Bild. Die Endpreise zeigen auch, dass jeder Teilnehmer eine faire Chance hat, eine Auktion zu gewinnen. Es liegt aber in der Natur der Dinge, dass man dort, wo man etwas gewinnen kann, auch etwas verlieren kann. Diese Tatsache darf man nicht aus dem Auge verlieren.
TeleBid hat sich leider vor meiner Zeit etwas ungeschickt verhalten und einen Blogger verklagt. Persönlich hätte ich diesen Fall lieber heute als morgen vom Tisch. Die Kontaktaufnahme zum Rechtsanwalt des Bloggers war leider bisher nicht ganz einfach. Wir werden aber weiterhin versuchen, den Fall zu Ende zu bringen und uns außergerichtlich zu einigen. Von meiner Seite gibt es ein Friedensangebot.
Insgesamt haben wir bezüglich unserer öffentlichen Wahrnehmung deutlichen Verbesserungsbedarf. Dies wird in den kommenden Monaten eine meiner Hauptaufgaben sein.
Können
Sie uns in wenigen Worten erläutern, wie der Bietprozess bei TeleBid
funktioniert?
Gunnar Piening: Jede Auktion startet mit einem Countdown, der das frühestmögliche Ende der Auktion anzeigt. Während des Countdowns können Gebote abgegeben werden, wobei jedes Gebot 0,50 EUR kostet und den Preis der Ware um 0,10 EUR steigen lässt. Gehen Gebote während der letzten 40 Sekunden des Countdowns ein, wird der Countdown auf 40 Sekunden zurückgestellt und damit die Auktion verlängert. Geboten werden kann online und per Telefon. Die Auktion ist zu Ende, wenn keine Gebote mehr abgegeben wurden und der Countdown auf 0 steht. Diese Anleitung und weitere Informationen finden sich auch hier und hier.
Das Besondere an diesem Modell ist, dass die Auktion jederzeit zu Ende gehen kann, und zwar unabhängig vom erzielten Endpreis. Gibt es kein weiteres Interesse mehr auf Seiten der Bieter, ist die Auktion sofort zu Ende. Aus diesem Grund kommt es häufig zu sehr günstigen Endpreisen. Wir zeigen hier alle beendeten Auktionen auf unserer Webseite an, um unseren Nutzern eine vollständige Transparenz der Endpreise zu ermöglichen.
TeleBid ist mit Sicherheit das risikoreichste E-Commerce Modell, das es derzeit gibt – und zwar nicht für die Teilnehmer, sondern für uns als Anbieter. Wenn Sie sich die vielen niedrigen Endpreise der Auktionen ansehen, bekommen Sie ein klareres Bild. Die Endpreise zeigen auch, dass jeder Teilnehmer eine faire Chance hat, eine Auktion zu gewinnen.
Ein TeleBid-Nutzer zahlt 50 Cent für jedes 10 Cent Gebot. Warum haben Sie sich für einen Hebel von 5:1 entschieden und nicht wie andere Anbieter für ein Verhältnis von 5:4?
Gunnar Piening: Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Modell mit einem Verhältnis von 5:4 funktionieren kann, da nach Abzug der Mehrwertsteuer ja nur noch knapp 42 Cent pro Gebot übrig bleiben. Dadurch, dass wir während ca. 90% der Laufzeit einer Auktion selbst im Risiko sind, müssen wir einen etwas größeren Hebel haben, um mit den wenigen Auktionen, die für uns gut ausgehen, die vielen Auktionen, die für uns mit einer negativen Marge enden, ausgleichen zu können. Wer einen Hebel von 5:4 ansetzt, kann selbst nicht ins Risiko gehen, wodurch eigentlich kein Reiz mehr für die Teilnehmer gegeben ist. Wer möchte an einem Spiel teilnehmen, bei dem er weiß, dass in jedem Fall der Anbieter der Gewinner ist?
TeleBid gibt es seit mehr als zwei Jahren. Können Sie etwas zur Entwicklung der Nutzerzahlen bzw. zum Umsatzlevel sagen? Wieviele Produkte werden täglich angeboten und verkauft, wieviele Nutzer bieten mit? Woran messen Sie Ihren Erfolg?
Gunnar Piening: Wir haben derzeit ca. 280.000 Mitglieder, von denen im Laufe eines Monats zwischen 10.000 und 15.000 aktiv mitbieten. Derzeit bewegen wir uns bei ca. 2.500 Auktionen pro Monat mit einem Einkaufswert von ca. 750.000 EUR.
Wir messen unseren Erfolg an mehreren Größen, unter anderem an der Anzahl der Gebote, der Anzahl der Bieter und natürlich dem Ertrag. Zudem schauen wir uns sehr genau an, wie häufig unsere Nutzer zu uns zurückkommen, insbesondere auch dann, wenn sie nicht gewonnen haben.
Da wir momentan sehr viel in unsere technische Infrastruktur und unsere Internationalisierung investieren, ist TeleBid nicht ganz profitabel.
Sie selber sind erst seit Mai bei TeleBid. Vorher waren Sie lange beim Verbraucherportal Ciao. Was hat Sie motiviert, die Geschäftsführung von TeleBid zu übernehmen und was plant TeleBid für die Zukunft?
Gunnar Piening: Wir haben mit Ciao schon seit 1999 ein Modell gemacht, dass man wohl als eines der ersten Web 2.0 Modelle ansehen könnte, wenn es damals den Begriff schon gegeben hätte. TeleBid ist eine faszinierende Idee, die sich meiner Meinung nach sehr wohltuend von anderen Ideen wie Communities, Social Shopping und Social Network Plattformen und vielen anderen Modellen, die derzeit im Internet unter dem Label „Web 2.0“ gestartet werden, abhebt.
Viele Leute bezweifeln derzeit, dass die TeleBid Idee tatsächlich funktionieren kann. Vielleicht liegt gerade darin der Reiz. Als 2002 keiner mehr an Ciao geglaubt hat und wir dennoch dabei geblieben sind, fing der eigentliche Spaß erst an – und der Erfolg hat uns später Recht gegeben. So könnte es jetzt auch bei TeleBid werden.
Für die unmittelbare Zukunft steht bei TeleBid erst einmal ein Relaunch unserer Webseite mit einer vollständigen Neuentwicklung der Technologie an. Damit wird es auch möglich sein, das TeleBid Modell zu internationalisieren, und zwar sowohl in Europa als auch außerhalb Europas.
Wer weiß, vielleicht schaffen wir es mit dieser Idee ja auch noch einmal aus dem Internet heraus? Der Name TeleBid könnte da einen Anhaltspunkt geben...
Vielen Dank für das Interview.
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